Wie und wann beginnt Österreichs eigenständige Geschichte?

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Ostermayer(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Haus der Geschichte. Die Polemik um die Deutungshoheit hat eingesetzt. Wie immer mündet eine gute Sache in Kampf zwischen Rot und Schwarz.

Ein imperialer Ort wie die Wiener Hofburg für die Zeitgeschichte sei denkbar ungeeignet, unken Experten. Man brauche im 21.Jahrhundert ein modernes Forum, ohne aber eigene Vorstellungen anzubieten. Andere wieder verweisen darauf, dass Österreichs Geschichte weit vor das Jahr 1848 reiche, zumindest ins Jahr 1806 (Niederlegung der Krone des Heiligen Römischen Reiches), oder bis 1804 (Begründung des Kaisertums Österreich). Wie könne man sonst Jugendlichen die Reichsinsignien in der Wiener Schatzkammer erklären? Oder gar bis zur Aufklärung (Josef II., Van Swieten) müsse man zurückgehen, wieder andere verorten den Beginn der eigenständigen Historie gleich mit 1156 (Herzogtum Österreich).

Eines ist sicher: Das Projekt „Haus der Geschichte“ steht im Kreuzfeuer. Was „Die Presse“ seit Jahr und Tag eingemahnt habe, werde nun von Kulturminister Josef Ostermayer nur unzulänglich und ideologisch einseitig umgesetzt, heißt es.

Der SPÖ-Kulturminister, Kanzleramtschef und eigentliche Regierungschef hinter seinem Freund Werner Faymann will, wie berichtet, in der Beletage der Neuen Wiener Hofburg jenes „Haus der Geschichte“ etablieren, das seit vielen Jahren in jedem Regierungsprogramm versprochen, aber nie realisiert wurde. Und da dort Platznot herrscht, muss das Museum für Völkerkunde (jetzt Weltmuseum) räumlich und finanziell verkleinert werden. Sabine Haag, Direktorin des Kunsthistorischen Museums, der dieses Weltmuseum untersteht, hat sich nolens volens damit abgefunden. Ebenso die Nachbarin in der Neuen Burg, die Direktorin der Nationalbibliothek, Johanna Rachinger. Man lebt schließlich in Abhängigkeiten.

Die schubladisierte „Roadmap“

Die Vorbehalte der Kritiker zielen in mehrere Richtungen: Warum, so argumentieren sie, werde ein fertig ausfinanziertes Weltmuseum bereits vor seiner Wiedereröffnung demontiert? Wilfried Seipel, ehemals Leiter des Kunsthistorischen Museums, ist über Ostermayers Pläne entsetzt: „Eine Katastrophe!“

Weiterer Einwand: Warum werde ohne Ausschreibung die Leitung der Historikerkommission von Ostermayer an den SP-punzierten Zeitgeschichtler Oliver Rathkolb vergeben? Immerhin gebe es ja eine „Roadmap“ aus dem Jahre 2007, erarbeitet von einer Historikerkommission unter Leitung von Günter Düriegl mit Stefan Karner, Manfred Jochum (†), Herbert Matis und Mario Christian Ortner. Diese „Roadmap“ werde ja ohnehin berücksichtigt, entgegnet Rathkolb. Und: „Der Heldenplatz ist der zentrale Erinnerungsort Österreichs. Es ist jetzt die Aufgabe von Historikern, Designern, Architekten, damit umzugehen. Wir leben ja von den imperialen Überresten ganz gut. Jetzt heißt es, diese Geschichte in die Gegenwart zu holen.“

Die Volkspartei will nun mit aller Macht im Ministerrat versuchen, den VP-nahen Historiker Helmut Wohnout als gleichberechtigten Rathkolb-Stellvertreter unterzubringen. Denn sonst, so wird gesagt, hätte die SPÖ die Deutungshoheit über die Zeitgeschichte: Faymann, Ostermayer, Rathkolb, dazu noch Stefan Maderthaner (Staatsarchiv) und Sektionschef Manfred Matzka (BKA), dem das Staatsarchiv untersteht. Fraglich auch, ob – und welche – Exponate wohl das Heeresgeschichtliche Museum abgeben müsste. Was relativ leicht ist, denn das HGM gehört zum Ressort von Verteidigungsminister Gerald Klug (S).

Parallel dazu arbeiten die Niederösterreicher quasi im Wettlauf mit Wien. In St.Pölten wird – wie berichtet – bis 2017 das bestehende Landesmuseum zum Haus der Geschichte Niederösterreich um- und zugebaut. Hier ist Stefan Karner federführend. Den Einwurf, dass hier womöglich ein „schwarzes“ Geschichtsmuseum als Gegengewicht zu Wien entstehe, pariert der Historiker, der sich mit seinem Grazer Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung, mit Recherchen in Moskauer Archiven und mit Ausstellungen auf der Schallaburg einen Namen gemacht hat: „Man sollte nie vergessen, dass es die Länder waren, die zweimal – 1918 und 1945 – die Republik Österreich gebildet haben. Die Länder waren zuerst da!“

Es bleibt spannend. (hws)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2015)

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