Kindheit im KZ: Die wahre Geschichte des "Buchenwaldkindes"

"Nackt unter Wölfen": Die wahre Geschichte des "Buchenwald-Kindes"ORF/ARD
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Stefan Jerzy Zweig wurde als Dreijähriger in das KZ Buchenwald deportiert. Der Roman "Nackt unter Wölfen", dessen Neuverfilmung nun im ORF lief, basiert lose auf seiner Geschichte.

Häftlingsnummer: 67509, Verhaftungsgrund: "Polit Pole Jude". Am 5. August 1944 wurde im Konzentrationslager Buchenwald ein dreijähriges Kind registriert, das später durch den Roman "Nackt unter Wölfen" von Bruno Apitz weltberühmt werden sollte. Am Mittwochabend lief in "ORF" und "ARD" die Neuverfilmung dieses Klassikers der DDR-Literatur, der lose auf der Geschichte von Stefan Jerzy Zweig basiert.

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In Film und Roman kommt der Bub in einem Koffer versteckt aus Auschwitz im KZ an, seine Eltern sind tot, Häftlinge verstecken ihn vor den Wärtern. Stefan Jerzy Zweig hingegen betrat Buchenwald an der Hand seines Vaters, Zacharias Zweig. Die Mutter und die ältere Schwester des damals Dreijährigen wurden zunächst in das Nebenlager Leipzig-Thekla gebracht und später in Auschwitz ermordet.

"Dieser Junge stirbt nicht"

Der kleine Stefan Jerzy weckte in Buchenwald die Aufmerksamkeit von kommunistischen Gefangenen. Die sogenannten "roten Kapos" waren insbesondere in den letzten Kriegsjahren für interne Verwaltungsaufgaben in Buchenwald zuständig. Sie beschlossen, den Buben unter ihre Fittiche zu nehmen. "Unter den nackten, bärtigen Gestalten das Kindchen. Ich hatte etwa zehn Jahre nichts Kindliches mehr gesehen. Da stand es mit seinen großen Augen, so fragend. Und ich entschied: Dieser Junge stirbt nicht", erinnert sich Willi Bleicher, in Buchenwald Kapo der Effektenkammer, gegenüber dem "MDR".

Zweig war nicht das einzige Kind in Buchenwald, 900 von ihnen überlebten das KZ. Im Sommer 1944 befahl die SS, "arbeitsunfähige Juden" in Vernichtungslager zu deportieren. Zweig landete als "Nr. 200" auf einer Liste für einen Auschwitz-Transport am 26. September 1944. Doch in letzter Minute wurden die Namen von zwölf Buben auf der Liste ausgetauscht - statt Zweig musste Willy Blum, ein 16-jähriger Roma, in den Tod gehen. Die Änderung dürfte von den kommunistischen Funktionshäftlingen unter Mitwirkung eines bestochenen SS-Arztes erwirkt worden sein.

Stefan Jerzy Zweig und sein Vater überlebten das Konzentrationslager. Nach Kriegsende lebten sie zunächst in Polen und Frankreich, wegen einer Tuberkulose musste der Bub lange Zeit in Lungensanatorien bleiben. 1949 zogen Vater und Sohn nach Israel. Von dem Roman "Nackt unter Wölfen", der 1958 in der DDR zum Bestseller wurde, wussten sie zunächst nichts. Erst 1964 machten Journalisten Stefan Jerzy Zweig, der mittlerweile in Lyon studierte, ausfindig. Das "Buchenwald-Kind" wurde zum Medienstar in der DDR, gab zahlreiche Interviews und traf Bruno Apitz, der einst als Buchenwald-Gefangener sein Schicksal mitbekommen hatte. Zweig begann eine Ausbildung an der Filmhochschule Babelsberg. 1972 übersiedelte er mit Frau und Kind nach Wien, wo er bis zu seiner Pensionierung als Kameramann für den ORF arbeitete.

Stefan Jerzy Zweig im Jahr 2006
Stefan Jerzy Zweig im Jahr 2006Imago

Seine Vergangenheit ließ Zweig nie ganz los. 2011 klagt er den Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Volkhard Knigge, der im Zusammenhang mit den Änderungen auf der Transportliste nach Auschwitz von "Opfertausch" sprach. Knigge sagte schließlich in einem Vergleich zu, den Begriff in Interviews nicht mehr zu verwenden. Auch, dass Knigge in der Gedenkstätte ein Schild über das "Kind von Buchenwald" entfernen ließ, kränkte Zweig zutiefst. 2005 veröffentlichte er im Eigenverlag seine Biografie "Tränen allein genügen nicht."

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