Gavrilo Princip: Lebendig begraben

BOSNIA FIRST WORLD WAR ANNIVERSARY
BOSNIA FIRST WORLD WAR ANNIVERSARY(c) APA/EPA/FEHIIM DEMIR
  • Drucken

Der Sarajewo-Attentäter büßte im ärgsten Kerker der Monarchie.

Im Mai 1915 tobt der Erste Weltkrieg an der West- und Ostfront. Österreich ahnt noch nicht, dass das Königreich Italien in wenigen Tagen der Donaumonarchie den Krieg erklären wird. In unserer Erzählung über den Weltkrieg ist ein junger Mann aus dem Scheinwerferkegel geraten, der am Beginn dieser Menschheitstragödie stand: Gavrilo Princip.

Im Juli 1915 sollte er 21 Jahre alt werden. Am 28. Oktober des Vorjahres hatte man ihm und den Komplizen im Kreisgericht zu Sarajewo die Urteile verkündet. Von den 25 Angeklagten wurden neun freigesprochen, berichtet der Historiker Hans Hautmann, fünf zum Tod durch den Strang verurteilt (zwei begnadigte der Kaiser zu Kerkerstrafen). Die übrigen elf erhielten schwere Kerkerstrafen, darunter die drei Haupttäter: Gavrilo Princip, Nedeljko Čabrinović und Trifko Grabež. Sie waren 1914 noch keine zwanzig Jahren alt, durften daher nicht gehängt werden und bekamen je zwanzig Jahre.

So blieben also 13 Personen, die am 2. Dezember 1914 dem Strafvollzug zugeführt wurden. Er sollte drakonisch sein, darauf legten schon vor Prozessbeginn Leopold Graf Berchtold, der Minister des Äußeren, und Finanzminister Bilinski großen Wert. Und er wurde drakonisch.

Nasse kalte Kasematten

Das gefürchtetste Gefängnis der Monarchie war Theresienstadt. Ein Schreckensort, auch noch in der Zeit des NS-Terrors bis 1945. Diese Festung, sechzig Kilometer nördlich von Prag, war unter Josef II. errichtet worden. In einem Vorwerk etwas abseits war das Gefängnis. Die Zellen lagen unter Tag in weit verzweigten Kasematten. Schon äußerlich machten die „feuchten, ekelerregenden und von Ratten bevölkerten Kellergewölbe“ auf Fremde einen grauenhaften Eindruck.

Und hierher kamen die drei Haupttäter. In Einzelzellen. Gleichsam lebendig begraben. Angekettet, mit Ausnahme des halbstündlichen Spaziergangs pro Tag unter schwerer Bewachung. So lauteten die Instruktionen aus Wien. Trotz ihrer Jugend war klar, dass die drei nicht lang durchhalten konnten. Aus dem Februar 1916 gibt es den ersten Bericht eines Arztes, der den prominentesten Häftling des Habsburgerreichs besuchte: Princip sei „sehr krank. Seine Brust ist eingesunken, seine Augen sitzen tief in ihren Höhlen, er siecht dahin. Es geht mit ihm zu Ende.“

Diagnose Knochentuberkulose

Die zehn Kilo schweren Ketten hatte man Princip erst drei Tage vor dieser ärztlichen Visite abgenommen. Dazu kam eine immer jämmerlicher werdende Verpflegung, die mit dem Krieg begründet wurde. Frische Wäsche gab es einmal im Monat, im Winter gefror nächtens das Wasser in den Krügen.

Der Arzt diagnostizierte Knochentuberkulose. Aber sein Auftrag lautete, gar nichts zu unternehmen, es gab keinerlei Hafterleichterung. Am 12. Mai 1916 landete Princip im Garnisonsspital der Festung, am 6. November 1917 wurde der völlig zerstörte linke Arm amputiert, am 28. April 1918 starb er im Spital. Er hatte am längsten durchgehalten, Čabrinović und Grabež waren schon 1916 gestorben.

Sie sollten verscharrt werden, doch ein Soldat hatte heimlich eine Lageskizze angefertigt. Bei der Exhumierung am 9. Juni 1920 konnte man die einarmige Leiche unschwer als jene Princips identifizieren. In Sarajewo sind die drei in einem gemeinsamen Grab bestattet. (hws)

Buchtipp
Janko Ferk
„Der Kaiser schickt Soldaten aus“ (Styria, 2014)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.