Hochschule der Zukunft: Uni für Kinder der Digital Natives

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Was wird sich ändern? Und warum? Wir haben uns umgehört, was die Experten von heute über Studium und Lehre, Forschung und Finanzierung von morgen denken.

Mobiler, weiblicher, autonomer: So wird sie sein, die Hochschule 2048. Oder finanziell abhängig von einzelnen Unternehmen, parteipolitisch gelenkt und international bedeutungslos? „Die Politik steht in den nächsten zwei bis drei Jahren vor großen Entscheidungen, wie es weitergehen soll, vor allem auch, was die Bildungspolitik des Landes betrifft“, meint Christoph Badelt, Rektor der WU. Und davon hängt nicht nur seiner Meinung nach vieles ab. Was im Detail zu erwarten ist? Fünf Fragen:

1 Wie sind die Unis organisiert? Wie finanziert und kontrolliert?

„Im Jahr 2048 sind Hochschulen Netzwerke aus Lernenden, Lehrenden und Forschenden, in der die Rollen nicht unbedingt fest definiert sind“, meint Bernd Ebersberger vom MCI Innsbruck. „Lehrende werden Lernende und Lernende werden zu Lehrenden.“ Für den Rektor der Universität Wien, Heinz W. Engl, wird die Uni der Zukunft „wegen der Bedeutung für die Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft von der Gesellschaft finanziert – und ist daher auch der Gesellschaft gegenüber verantwortlich. Und sie wird autonomer geworden sein.“

Auch Badelt sieht im positiven Fall eine Erweiterung der Autonomie, „mit Konzepten für Studiengebühren, Stipendien und Förderungssysteme bis zu internationalen Kooperationen“. Dazu gehört auch eine „echte Studienplatzfinanzierung, die mit Kapazitäten einhergeht und damit auch den Zugang zu den Universitäten regelt“. Im negativen Fall sieht er eine Wiederkehr der Macht der Bürokratie und des parteipolitischen Einflusses.
Witold Jaschak, akademischer Leiter des Kollegiums der FH OÖ, sieht die Finanzierung vermehrt von der Leistung der Hochschule in Forschung, Entwicklung und Lehre abhängig. Und von dem „Renommee bei den Bewerbern“.

2 Wie setzen sich Studierende in Herkunft, Geschlecht und sozialer Schicht zusammen? Was erwarten sie?

Mehr Studenten mit Migrationshintergrund – sprich mehr Internationalität – werden von allen Befragten gesehen. „Mobilität wird in Zukunft die Regel und nicht die Ausnahme sein“, so Engl. Badelt rechnet im positiven Fall, dass ein „wesentlich höherer Prozentsatz an intelligenten jungen Menschen, unabhängig von Herkunft oder sozialer Schicht, an den Universitäten vertreten ist als heute“.

Jaschak sieht eine starke Zunahme der berufsbegleitenden Studienmöglichkeiten neben einer vollen Beschäftigung. „Studierende werden nicht nur eine Hochschule besuchen, sie werden vielmehr unterschiedliche Angebote verschiedener Hochschulen oft gleichzeitig wahrnehmen. Herausforderung wird sein, die erworbenen Kompetenzen zu aggregieren und wechselseitig für akademische Abschlüsse anzurechnen“, meint Ebersberger.

3 Welche Rolle spielen Forschung und Entwicklung?

„Im Idealfall kommt es zu einer echten Priorisierung von Forschung und Wissenschaft“, erhofft sich Badelt. „Sowohl finanziell als auch von der Wertschätzung der öffentlichen Diskussion her sind F & E 2048 Hauptthemen der Gesellschaft- und Wirtschaftspolitik.“ Im negativen Fall „bleiben Forschung und Entwicklung ein Thema für Sonntagsreden“. Der akademische FH-OÖ-Leiter Jaschak sieht F & E in einer Hauptrolle bei der Weiterentwicklung der Curricula. „Die Tätigkeiten im Rahmen der F & E werden Träger für laufende Modifikationen der Lehrinhalte und der Vermittlungsformen sein.“ Für Engl wird F & E in den nächsten Jahren entscheidend die Arbeitsbereiche und Arbeitsplätze der Zukunft mitgestalten. „Noch entscheidender wird die gesellschaftliche Innovationsfähigkeit sein, bezogen auf Fragen, die noch weiter an Bedeutung gewinnen werden, wie Gesundheit, soziale Sicherheit und politische Stabilität.“

4 Wer lehrt an den Hochschulen? Welche Rolle spielt die Technik?

„E-Learning, Blended Learning und E-Books gehören zu den regulären Hilfs- und Unterrichtsmitteln an Universitäten“, so Jakasch. Ebersberg fügt hinzu, „dass die Studierenden von 2048 die Kinder der ersten Digital Natives sind. Für die Lehrenden bedeutet das, dass Moderation, Motivation und Vernetzten die Information und Informationsvermittlung ersetzen werden. Interdisziplinarität ist eine wichtige Eigenschaft.“ Digital Universities werden das Lernen und Lehren an vollwertigen Universitäten aber nicht ersetzen, da sind sich alle einig. „Ich glaube, dass trotz aller Veränderungen der persönliche Kontakt zwischen den Forschenden und Studierenden auch in Zukunft entscheidend ist“, so der Rektor der Uni Wien. „Exzellente Wissenschaftler aus der ganzen Welt und Menschen mit einem Gespür für die praktischen Probleme der Gesellschaft werden an den Unis lehren“, sieht Badelt in seiner positiven Version. In der negativen Sicht „werden jene lehren, die im internationalen Wettbewerb übrig geblieben sind und nicht gut genug für das internationale Parkett sind“.

5 Sind auch mehr Frauen in wichtigen Positionen? Und warum?

„Ja, selbstverständlich“, meint Engl. „Die Frauen, die heute absolvieren – an der Uni Wien über 60 Prozent –, werden wichtige Positionen in der Wissenschaft, der Gesellschaft und Wirtschaft einnehmen, sie werden mindestens 50 Prozent stellen.“ Badelt teilt diese Meinung, „und im Idealfall werden Frauen auch generell viel besser qualifiziert sein“. Auch Jakasch und Eberberger sehen weiblichere Zeiten. „Dazu haben Karenzzeiten dank moderner IKT-Technologien weniger Einfluss auf die Karriere“, so Jakasch. Was aber natürlich – nicht erst 2048 – auch für Männer gilt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2015)

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