Weltraumforschung: Wenn Postkarten vom Mars kommen

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Lesen im Sternenstaub oder was sich bis zum Jahr 2048 so alles in der Raumfahrt getan haben wird.

Wenige Themen sind so eng mit dem Begriff Zukunft verbunden wie die Raumfahrt. Man kennt das etwa von den Ideen Jules Vernes (1828 bis 1905) über eine Reise zum Mond oder von den Visionen der Raumfahrtpioniere wie Konstantin Ziolkowski („Auf dem Monde“, 1893) und Hermann Oberth („Die Rakete zu den Planetenräumen“, 1923).

Viel ist in der Erforschung des Alls gelungen: Der Mensch war auf dem Mond, sandte Sonden zu Planeten, ja bis fernab des Sonnensystems, der erdnahe Raum mit all den Satelliten ist heute ein „Dachboden“ unseres irdischen Heims. Dennoch haben Wissenschaftler und Science-Fiction oft weit über das Ziel geschossen: Seit Jahrzehnten angekündigte Dinge wie Weltraumhotels, Mondbasen, Kraftwerke im Orbit oder die Besiedlung des Mars blieben aus, lichtschnelle Raumschiffe sowieso.

Dennoch: Es tut sich viel, wenn auch langsamer als einst erwartet. Heute dürfen wir annehmen, dass bis 2048 die ersten Menschen den Mars betreten haben werden. Dazu wird es vielleicht die eine oder andere bemannte Expedition zu Asteroiden gegeben haben, und wenn man ganz mutig vorhersagt, sind vielleicht bis dahin schon Pläne für einen bemannten Flug jenseits des Asteroidengürtels in Umsetzung. Eine Mondstation wird sowohl für kleine Wissenschaftlerteams als auch für die ersten Bergbaugesellschaften ebenso Alltag sein wie heute eine Antarktisstation.

Umgekehrt wird die Internationale Raumstation ISS Geschichte sein, so wie heute schon die legendäre russische Station Mir (1986 bis 2001). Dafür werden wohl die Chinesen bereits eine Nachfolgerin der Orbitalstation Tiangong 3 (man erwartet deren Bau gegen 2022) betreiben – möglicherweise in Kooperation mit der Europäischen Weltraumagentur ESA oder Russland. Damit würden mehrere Raumstationen am Nachthimmel zu sehen sein, darunter vielleicht eine kommerzielle für Weltraumtouristen.

In der Antriebstechnologie für Raumschiffe wird sich einiges getan haben: Chemische Triebwerke gibt es weiterhin, werden aber durch Ionenantriebe, mit denen man höhere Geschwindigkeiten erzielen kann, unterstützt. Neue variable Magnet-Plasma-Antriebe, wie man sie aktuell entwickelt, ermöglichen Marsreisen in 40 statt etwa 200 Tagen. Dabei wird ultrahoch erhitztes Plasma durch getaktete Magnetfelder beschleunigt und mit hoher Geschwindigkeit ausgestoßen; das ist ähnlich wie Ionentriebwerke, hat aber viel mehr Schubkraft. Damit wird auch das äußere Sonnensystem weit besser zugänglich, Flüge dorthin dauern dann „nur“ wenige Jahre statt Jahrzehnte – damit ist selbst der äußere Asteroidengürtel (Kuipergürtel) jenseits des Neptun erreichbar.

Immer stärker befeuern schon heute wirtschaftliche Interessen die Erschließung des Alls, und so werden Unternehmer 2048 schon lange den Weltraum entdeckt haben: Der Abbau des Isotops Helium-3 auf dem Mond für den Einsatz in Kernfusionsreaktoren und von seltenen Erzen auf Asteroiden sind etablierte Märkte. Auch wenn noch nicht alle Branchen den Return-of-Investment erzielt haben: Für Goldgräberstimmung reicht es.

Florida bis Neuseeland: zwei Stunden

Groß wird der Boom im Weltraumtourismus sein: Der ist 2048 zwar wohl noch keine Routineaktivität, aber einige Firmen werden nicht mehr nur Suborbital-Flüge, sondern Erdumrundungen anbieten. Wie massentauglich sich das entwickelt, hängt von der erwartbaren Senkung der Ticketpreise ab, und ob es in der Frühphase zu regulativen und technischen Problemen bzw. Unfällen kommt. Der am stärksten wachsende Markt für Suborbitalflüge wird indes weniger der Tourismus sein, sondern der für Zustelldienste: Etwa, um in zwei Stunden ein Paket von Florida nach Neuseeland zu bringen.

Nachdem die Raumfahrt auch als eine Art Fieberthermometer der Geopolitik gilt, werden die geänderten geopolitischen Machtverhältnisse in der Erdumlaufbahn und darüber hinaus abgebildet sein: China und Indien sind 2048 etablierte Raumfahrtnationen mit hochaktiven Astronauten-Korps, südamerikanische Länder wie Brasilien und Argentinien spielen eine zunehmende Rolle. Weltraumtechnologie „Made in China“ wird als Maßstab für hohe Qualität zu leistbaren Preisen auf dem globalen Markt für Nutzlastraketen stehen.

Die Wege der Weltraumwissenschaften sind indes schwer vorherzusagen: Möglich wäre: Tauchroboter untersuchen die Eismonde des Saturn und Jupiter, mit weltraumgestützten Instrumenten ist die routinemäßige Beobachtung von Gravitationswellen möglich. Man wird Dutzende erdähnliche Exoplaneten kennen, dort Ozeane entdeckt haben, und – jetzt wird es etwas spekulativ – vielleicht sogar Hinweise auf primitives Leben.

Auf unser eigenes Leben bezogen wird der Weltraum noch mehr integraler Bestandteil sein, auch jener unserer Infrastruktur, als er heute schon ist. Dazu zählen nicht nur weltraumbasierte Technologien, sondern auch das Entstehen neuer Industrien und rechtlicher Rahmenbedingungen. Wir werden das auch in Österreich spüren, bis hin vielleicht zu einer österreichischen Weltraumagentur im traditionellen Sinn, mit eigener Forschungstätigkeit und Engagement in bemannter Raumfahrt. [ EPA ]

Zur Person

Gernot Grömer (* 1975 in OÖ) ist Astronom und Astrobiologe an der Universität Innsbruck sowie Obmann des Österreichischen Weltraumforums (ÖWF). Die Mitglieder dieser gut vernetzten (etwa mit ESA, Nasa, UN) Vereinigung beschäftigen sich mit so gut wie allen Themen der bemannten und unbemannten Raumfahrt, mit Astronomie, Entwicklung technischer Systeme, Fachwissensvermittlung und Science-Fiction. U. a. wurden Langzeitaufenthalte und Erkundungsfahrten auf dem Mars simuliert, etwa in Utah (USA), Marokko und den Dachsteinhöhlen. (www.oewf.org) [ rubra/aec.at]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2015)

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