Das erste Wildwest-Duell der Geschichte: Es ging um eine Uhr

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Szene aus "Wild Bill": Hollywood-Star Jeff Bridges als "Wild Bill Hickok".(c) Imago/United Archives
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Vor 150 Jahren erschoss "Wild Bill" Hickok seinen Widersacher in einem Zweikampf. Das klassische Wildwest-Duell lief aber weit weniger glorreich ab.

Es ist der 21. Juli 1865. Ort: Springfield, Missouri. "Dave, überquere diesen Platz nicht mit meiner Uhr!", schreit Wild Bill Hickok seinem Widersacher Dave Tutt zu. Tutt greift zu seiner Waffe, die beiden Männer geben nahezu zeitgleich einen Schuss ab. Augenzeugen können nicht sagen, wer zuerst geschossen hat. Tutt schießt daneben, doch Hickok trifft seinen Gegner. Tutt greift sich zur Brust, läuft noch ein paar Schritte in Richtung des Gerichtsgebäudes, wo er schließlich tot zusammenbricht. Heute gilt dieses Duell als das erste in der Geschichte des Wilden Westen.

Obwohl Hickok und Tutt im US-Bürgerkrieg auf verschiedenen Seiten dienten, schließen sie Freundschaft und spielen oft Karten zusammen. Tutt leiht dabei Hickok auch öfter Geld. Wenige Tage vor dem Duell geraten die beiden Männer darüber in Streit. Tutt wirft Hickok, der gerade gegen andere Spieler mehr als 200 Dollar gewonnen hat, vor, ihm 35 Dollar zu schulden. Hickok weist das zurück, es handle sich um 25 Dollar. Das könne er mit Eintragungen in seinem Notizbuch beweisen. Als Hickok weiterspielt, nimmt Tutt, der von mehreren bewaffneten Männern begleitet wird, Hickoks auf dem Tisch liegende goldene Taschenuhr. Tutt meint, er würde sie als Pfand behalten, bis Hickok seine Schulden bezahlt habe. Neben der öffentlichen Erniedrigung steht Hickoks Ruf als professioneller Spieler auf dem Spiel. Denn der Vorwurf, er könne seine Schulden nicht bezahlen, steht im Raum. Würde er diese Beleidigung hinnehmen, wäre seine Karriere als Spieler, seine einzige Einkommensquelle, ruiniert.

Keiner der beiden Männer will ein Feigling sein

Nach Tagen, in denen ihn Freunde von Tutt verspotten und provozieren, damit er von der Gruppe niedergeschossen werden kann, reißt am 20. Juli Hickoks Geduld. Er lässt Tutt ausrichten, dass er gehört habe, dieser plane am nächsten Tag die Uhr in aller Öffentlichkeit am Stadtplatz zu tragen. "Er sollte nicht über diesen Platz kommen, außer wenn tote Männer gehen können" ("He shouldn't come across that square unless dead men can walk"), sagt Hickok. Nun steht Tutt unter Zugzwang, er kann es sich nun ebenfalls nicht leisten, als Feigling dazustehen.

Porträt: Wild Bill Hickok (ca. im Jahr 1873).
Porträt: Wild Bill Hickok (ca. im Jahr 1873).(c) Imago

Tutt erscheint am Vormittag des 21. Juli mit der Uhr auf dem Stadtplatz. Hickok erfährt umgehend davon und macht sich auf den Weg zum Platz. Dort verhandeln die beiden Kontrahenten über die Modalitäten der Rückgabe der Uhr. Tutt verlangt nun sogar 45 Dollar, Hickok beharrt auf die Summe von 25 Dollar. Dennoch kämpfen die beiden zu diesem Zeitpunkt nicht und gehen sogar gemeinsam auf einen Drink. Schließlich erscheint Tutt erneut mit der Uhr auf dem Platz. Hickok nähert sich von der gegenüberliegenden Seite, mit seinem Colt in der Hand. Die anwesenden Menschen weichen angesichts der bewaffneten Gestalt in die Sicherheit naheliegender Gebäude zurück. Als sich die beiden Männer rund 70 Meter gegenüberstehen, schreit Hickok seinem Widersacher zu: "Dave, hier bin ich." Er spannt den Hahn seines Revolver und ruft seine letzte Warnung, ehe die Schüsse fallen.

Zwei Tage später wird Wild Bill Hickok verhaftet und letztlich wegen Totschlags angeklagt. Der Prozess im August dauert drei Tage. Zweiundzwanzig Augenzeugen sagen vor Gericht aus. Obwohl es sich nicht wirklich um Notwehr handelt - denn Hickok ist bewaffnet und in Erwartung eines Feuergefechts auf dem Platz erschienen - sieht die Jury den Schuss auf Tutt als gerechtfertigt an. Tutt wird als Initiator des Duells betrachtet, da er Hickoks Uhr genommen habe. Zwei Zeugen sagen zudem aus, dass er zuerst zur Waffe gegriffen habe. "Nicht schuldig", lautet schließlich das Urteil.

Mythos Wildwest-Duell

Das Duell Hickok-Tutt war ein untypisches. Duelle im Wilden Westen werden zwar bis heute - vor allem durch Film und Fernsehen - glorifiziert. "Kein Bild aus dem amerikanischen Westen ist so tief verwurzelt wie die Darstellung des Revolverduells: Zwei Männer, die Hände lose über dem Revolvergriff, gehen aufeinander zu, um festzustellen, wer schneller ziehen und schießen kann. Dann eine jähe, kaum wahrnehmbare Bewegung, zwei nahezu gleichzeitig fallende Schüsse, und ein Mann geht, von der ersten Kugel getroffen, zu Boden", schreibt Bill O'Neal in seinem Buch "Gunfighter".

Doch die Realität war eine andere. Die Schnelligkeit war sekundär, es zählte vor allem die Treffsicherheit. "Häufig trugen die Revolvermänner ihre Waffe nicht einmal im Holster", schreibt O'Neal. "Man steckte den Revolver in die Gesäßtasche, in den Hosenbund oder die Jackentasche, und fast immer zog man ein Gewehr oder eine Schrotflinte der Faustfeuerwaffe vor. Vornehmliches Ziel einer Schießerei war es nicht, den anderen Mann zuerst oder an der richtigen Stelle zu treffen, sondern ihn überhaupt zu treffen." Oft schossen die Widersacher ihre Waffen leer, ohne den Gegner überhaupt zu treffen.

Auch das Bild des Duells Mann gegen Mann, Angesicht zu Angesicht, ist irreführend. Jim "Killer" Miller, der laut O'Neal tödlichste "Gunfighter", tötete die meisten seiner zwölf Opfer aus dem Hinterhalt. "Billy the Kid", dem oft 21 Tötungen nachgesagt werden, dürfte maximal neun Männer erschossen haben. Und zum Mythos Treffsicherheit: Legende Wyatt Earp hat bei fünf Schießereien keinen einzigen seiner Widersacher getötet.

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