Großglocknerstraße: Und schon bald Weltkulturerbe?

ARCHIVBILD 70 JAHRE GROSSGLOCKNER HOCHALPENSTRASSE
ARCHIVBILD 70 JAHRE GROSSGLOCKNER HOCHALPENSTRASSE(c) APA (ARCHIV GROHAG)
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Vor achtzig Jahren wurde das kühne Bauwerk eröffnet. Jetzt dokumentiert ein Sammelband alle Aspekte der Hochalpenstraße.

Diese Straße ist weltberühmt. Sie ist etwas ganz Besonderes, daher ist ihr eine Zukunft als geschütztes Weltkulturerbe sicher. Noch ist es nicht so weit, aber die Bemühungen sind schon weit gediehen.

Die Großglockner-Hochalpenstraße – ein ähnlich kühnes Unterfangen wie die Eisenbahnstrecke über den Semmering. Aber diese Straße ist seit achtzig Jahren nicht nur ein bautechnisches Manifest: Sie war vor dem Krieg auch ein wichtiger Bestandteil des österreichischen Selbstverständnisses. Und – genau wie die Wiener Höhenstraße – auch Teil eines staatlichen Arbeitsbeschaffungsprogrammes, um jene Arbeitslosigkeit zu lindern, die viele in die Arme der Nazis trieb.

Noch ein Vergleich mit der Semmeringbahnstrecke tut sich auf: So wie dieses Bauwerk über Schluchten und durch den Berg mit dem Namen seines Schöpfers, Carl Ritter von Ghega, untrennbar verbunden ist, so gäbe es die Hochalpenstraße nicht ohne das technische Genie des Ingenieurs Eduard Wallack. Er plante eine perfekt in die Landschaft passende Aussichtsstraße für ein Projekt, von dem er noch keine Ahnung haben konnte: Für den heutigen Nationalpark Hohe Tauern, durch dessen eindrucksvollstes Kernstück die Straße führt.

Das Straßenprojekt hatte eine besondere Bedeutung, weil Südtirol nach dem Friedensvertrag von St. Germain von Österreich abgetrennt wurde und die ehemalige innerösterreichische Verbindung von Kärnten nach Nordtirol über den Brennerpass verloren war. Da es auf den 156 Kilometern zwischen dem Radstädter Tauernpass und dem Brennerpass keine Straße über die Hauptalpen gab, waren Oberkärnten und Osttirol vom direkten Straßenverkehr mit den Bundesländern am Nordrand der Alpen abgeschnitten. Bereits im Sommer 1922 schlug das Handelsministerium daher den Straßenbau vor. Allerdings versandeten die Aktivitäten aus Geldmangel.

Die Ambitionen für den Bau verschoben sich schließlich nach Salzburg, wo sich der christlichsoziale Landeshauptmann Franz Rehrl (1890–1947) für die Umsetzung des Vorhabens einsetzte. Mehr noch: Er machte die Realisierung zu einem persönlichen Ziel, und er hatte Erfolg.

In einer Rekordzeit von nur fünf Jahren wurde die Straße gebaut, vor achtzig Jahren, im Juli 1935, konnte sie feierlich eröffnet werden. Eine schier unglaubliche Leistung, wenn wir bedenken, dass damals nur einfache Werkzeuge und Maschinen zur Verfügung standen. Das war Absicht, um möglichst viele Arbeitslose beschäftigen zu können.

Seinen Triumph sollte Bundeskanzler Engelbert Dollfuß nicht mehr erleben. Ein Jahr vor dem Festakt war er von österreichischen Nationalsozialisten bei einem letztlich fehlgeschlagenen Putsch in seinen Amtsräumen am Ballhausplatz ermordet worden.

Ähnlich wie später Kaprun war der Bau ein Mosaikstein nationaler Selbstfindung. Dafür wurde ein unglaublicher PR-Apparat aufgezogen. Nachdem der christlichsozialeStändestaat im Jahr 1934 das gesellschaftspolitische Experiment im Roten Wien abgewürgt hatte, wollte man den Österreichern nun selbst ein großes Werk präsentieren. Zumindest das gelang.

Dreißig Autoren aus diversen Fachgebieten haben sich zu einem 500 Seiten dicken Monumentalwerk zusammengefunden. Techniker, Biologen, Mineralogen, Autofans, Historiker und Ökologen, aber auch alle, die je den Berg auf irgendeine Weise bezwungen haben, werden daran ihre Freude haben.

Buchtipp:
Johannes Hörl, Dietmar Schöndorfer (Hg.)

„Die Großglockner-Hochalpenstraße“

Böhlau, 500 Seiten, 39 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2015)

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