Wo ruht der Heroe Griechenlands?

(C) Wikipedia/ Gunnar Bach Pedersen
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Seit 1977 wird darüber gestritten, wo Philipp II., der Griechenland geeint und die Grundlage für die Weltmacht gelegt hat, die sein Sohn Alexander errang, begraben ist. Nun ist die nächste Runde eröffnet.

Er übernahm euch als Stromer und Arme, viele von euch weideten, in Felle gekleidet, ihre wenigen Schafe und kämpften ohne viel Erfolg gegen die Illyrer, Triballer und ihre Nachbarn, die Thraker. Er hat euch anstatt der Felle Mäntel gegeben, euch aus den rauen Bergen in die Ebenen geführt, euch den benachbarten Barbaren im Kampf ebenbürtig gemacht. Er hat euch zu Bauherren von Städten gemacht und euch gute Sitten und Gesetze gebracht.“ So rühmte Alexander der Große seinen Vater, Philipp II., der erst Makedonien und dann Griechenland geeint hatte – 338 v. Chr. im Korinthischen Bund –, gegen den Widerstand vor allem Athens, in dem Demosthenes eine „Philippika“ nach der anderen gegen den verhassten Makedonier hielt. Sie halfen nichts, Philipp verfügte über so viel Umsicht wie Schläue, und er schonte sich nicht, verbrachte sein halbes Leben zu Pferd im Krieg, immer im Getümmel, mehrfach schwer verletzt.

Nationale Begeisterung

Kurz, er war eine Lichtgestalt, zu seiner Zeit, er war es auch später, weckte hohe Emotionen und bitteren Streit: 1977 entdeckte Manolis Andronikus, Archäologe an der Universität Thessaloniki, bei der Stadt Vergina ein Hügelgrab, in ihm drei mächtige gemauerte Grabstätten, eine war geplündert und enthielt nur noch vom Kremieren angesengte Knochen (Vergina I), die zweite (Vergina II) bot neben einem fast vollständigen Skelett überreiche Schätze – darunter ein zwei Meter langes Szepter –, zu dieser Grabstätte gehört auch ein Heroon, ein Gedenkort für einen Helden. Dieser sei Philipp II. gewesen, gab Andronikus am 24. November 1977 in einer Pressekonferenz bekannt, es löste nationale Begeisterung aus (und üblen Verdacht: Ein Journalist setzte in die Welt, der Zeitpunkt der Bekanntgabe habe die Parlamentswahlen zugunsten des Konservativen Karamanlis beeinflussen sollen, aber die Wahlen waren schon am 20.).

Nur in Andronikus' unmittelbarer Nachbarschaft wurde nicht gefeiert, bei Archäologen an der Universität Thessaloniki. Dort arbeitete auch ein großer Konkurrent und persönlicher Feind von Andronikus, die beiden verstrickten sich und die halbe Fachwelt in einen nicht enden wollenden Streit darüber, ob das Grab wirklich das des Philipp II. ist; es ging um Datierungen und Stil der Funde, um das Baumaterial der Kammer etc. Dann kamen auch noch Methoden der Gerichtsmedizin zur Anwendung: Einen der Hinweise auf Philipp II. wollte Andronikus im Schädelknochen gesehen haben, eine verheilte schwere Wunde über dem rechten Auge, das hatte der König in der Schlacht von Methone 345 v. Chr. verloren, er war von einem Pfeil getroffen worden. Aber als der Physiologe und Anthropologe Antonis Bartsiokas (Komotini) anno 2000 genauer hinsah, sah er – nichts. Dieser Befund erschien in Science (288, S. 511), die Causa schien erledigt.

Aber im Vorjahr sah wieder einer genau hin, Theodore Antikas, Chefforscher der Vergina-Ausgrabungen: Er konstatierte Verletzungsspuren, nicht nur am Auge, sondern – aus einer anderen Schlacht – auch an den Rippen, er erzählte es der populärwissenschaftlichen Zeitschrift „Discovery“, inzwischen ist es auch publiziert (International Journal of Osteoarcheology, online in einer vorläufigen Fassung).

Bartsiokas war da längst auf einer anderen Spur: Er wertete die Knochen aus Vergina I aus, und er vertiefte sich noch einmal in das Leben bzw. die Verwundungen des Königs: Drei Jahre vor seinem Tod ritt dieser wieder in eine Schlacht, diesmal gegen die Triballer, ein Lanzenstich brachte seinem Pferd den Tod und ihm eine Verletzung am Knie. Sie heilte, das Knie blieb aber steif – Ankylose –, und diese Verformung des Knochens hat Bartsiokas nun dokumentiert, an einem der Knochen in Vergina I: „Die Knieankylose ist der Echtheitsstempel.“ In Vergina I, nicht in Vergina II, wurde Philipp bestattet, nachdem er 336 v. Chr. im Alter von 46 Jahren ermordet worden war, von seinem Leibwächter. Er blieb nicht lange allein, neben seinen Knochen fand man auch die einer jungen Frau und eines Neugeborenen: Philipp hatte eine Frau im entsprechenden Alter – Cleopatra –, sie und ihr Kind wurden kurz nach ihm ermordet (Pnas 20. 7.).

Insignien Alexanders des Großen

Wer ruht dann in Vergina II? Woher die prächtige Ausstattung, woher das Szepter? Ein vergleichbares kennt man aus einer Darstellung Alexanders des Großen auf Münzen. Aber Alexander ist nicht in Vergina begraben – niemand weiß, wohin er nach seinem Tod in Babylon anno 323 v. Chr. gebracht wurde, derzeit gehen viele Spekulationen auf einen anderen Grabhügel in Griechenland, den von Amphipolis. In Vergina II liegen nach Bartsiokas' Mutmaßung Alexanders Halbbruder Philipp III. Arrhidaios und seine Frau Euridice: Arrhidaios hatte nach dem Tod Alexanders die Macht übernommen, und er hatte vor allem deren Insignien übernommen, etwa das Szepter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2015)

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