Jüdisches Museum: Zum Gedächtnis eines Gerechten

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Eine Ausstellung am Judenplatz würdigt Simon Wiesenthal zu seinem zehnten Todestag.

Drei braune Schachteln sind in einer Vitrine im Jüdischen Museum Wien am Judenplatz zu sehen: „WALDHEIM, Kurt, Dr.“, „PETER, Friedrich“ und „KREISKY, Bruno, Dr.“ ist auf ihnen zu lesen. Was bringt drei so unterschiedliche Politiker, die die Zweite Republik auf ihre Art geprägt haben, hier postum zusammen? Der Präsident, der mit Schweigen über seine Rolle als Soldat im Zweiten Weltkrieg die Nation spaltete, der FPÖ-Chef, der in diesem Krieg am Ende SS-Obersturmführer war, und der SPÖ-Chef, der es mit Duldung der Freiheitlichen zum Bundeskanzler brachte, wurden auch von Simon Wiesenthal in dessen Dokumentationsarchiv abgelegt, mit dem er wesentlich dazu beigetragen hat, dass Nazi-Verbrechen aufgedeckt, ihre Opfer nicht vergessen wurden.

Er wollte „Recht, nicht Rache“

Seine Arbeit brachte Wiesenthal viele Feinde ein, er wurde beschimpft, bedroht. Auch mit Kreisky hatte der beharrliche Mann heftige Konfrontationen. In der Affäre Waldheim zeigte sich dieser bürgerliche Jude, der 1908 in der Monarchie in Galizien geboren wurde, milde. Er, der entscheidend mithalf, dass Adolf Hitlers Helfer Adolf Eichmann aufgespürt und für die Ermordung von sechs Millionen Menschen zur Mitverantwortung gezogen werden konnte, wollte „Recht, nicht Rache“, wie auch der Titel seines Buchs mit persönlichen Erinnerungen reklamiert.

Heute, zehn Jahre nach seinem Tod, ist seine historische Bedeutung unbestritten. Er überlebte fünf Konzentrationslager, wurde 1945 in Mauthausen befreit. Danach setzte er nicht die Karriere als Architekt fort, sondern kümmerte sich um die KZ-Überlebenden, gründete ein Büro zur Ausforschung von NS-Verbrechern – bis 1961 in Linz, dann in Wien.

Eingangs zeigen die Kuratoren des Jüdischen Museums und vom Simon-Wiesenthal-Archiv Wien die frühen Jahre: Landkarten mit Massengräbern und Lagern, die bescheidenen Büroräume des Dokumentationsarchivs, Aufnahmen von Mauthausen, ein Foto Wiesenthals im Gespräch mit Schülern. Privates mischt sich mit Öffentlichem. Sogar seine Mitgliedskarte eines Autofahrerklubs ist ausgestellt. Die Schau ist auf drei Räume beschränkt, doch bietet sie in zehn Stationen ein erhellendes Porträt dieses Gerechten. Zu sehen sind u.a. Fotos, Tonaufnahmen, seine Pläne für ein Mausoleum in Jerusalem sowie Clips aus „Die Akte Odessa“. Der Film thematisierte 1974 den Fall des „Schlächters von Riga“. Breiten Raum erhält das langwierige Aufspüren der SS-Wärterin Hermine Braunsteiner, die in den USA untergetaucht war. Beeindruckend ist Dani Gals Video „Wie aus der Ferne“ (2013): Wiesenthal trifft darin Hitlers Architekten Albert Speer. Sie hatten in Realität einen versöhnlichen Briefwechsel, Gal montierte dessen Inhalt zu einem fiktiven Gespräch. Wenn man aus dem Museum auf den Judenplatz tritt, weiß man: Der Ort für die Ausstellung ist perfekt gewählt. Wiesenthal hat sich vehement für eine Erinnerungsstätte an der Stelle eingesetzt, an der sich einst eine Synagoge befunden hat. Jetzt steht man vor Rachel Whitereads Mahnmal, das 65.000 ermordeter österreichischer Juden gedenkt.

„Wiesenthal in Wien“ ist im Museum am Judenplatz 8 bis 8.5. 2016 zu sehen: So. bis Do., 10–18, Fr. 10–14 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2015)

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