Zwei Hitler-Gegner – Zwei grausame Schicksale

Ein Vergleich: Was bewegte Claus von Stauffenberg und den Österreicher Hans-Karl Zessner-Spitzenberg?

Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Hans-Karl Zessner Freiherr von Spitzenberg – ein Vergleich“: So nennt der frühere Rektor der Bodenkultur, Verfassungsrechtler und Politologe Manfried Welan seinen jüngsten Text. Beide gaben für ihre Ideale ihr Leben hin. Der eine – Zessner – starb am schon am 1. August 1938 im KZ Dachau, der andere – Stauffenberg – am 21. Juli 1944 im Hof des Bendlerblocks in Berlin durch ein Erschießungspeloton. Der Hitler-Attentäter rief noch: „Es lebe das geheime Deutschland!“ (Nach manchen anderen: „Es lebe das geheiligte Deutschland!“)

Zessner hat die Frage des KZ-Kommandanten, ob er wisse, warum er hierher nach Dachau gekommen sei, so beantwortet: „Weil ich im Glauben an Gott und an ein christliches Österreich unter Führung des Hauses Habsburg die einzige Rettung für die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit meines Vaterlandes sehe.“ Seine letzten Worte waren: „Nimm hin, Herr, meine Freiheit.“

Zessner hatte den Traum von einer neuen alten österreichischen Monarchie mit dem jungen Otto als Monarchen. Welan: „Er dachte auch zu Recht, dass Otto eher dem Nationalsozialismus Widerstand hätte leisten können und Hitler eher hätte fernhalten können als der letztlich doch deutschnational eingestellte Schuschnigg. Freilich hat er das nie so deutlich ausgesprochen.“

Stauffenberg träumte von einem anderen Deutschland unter vielleicht humanistischer, aber sicherlich nicht demokratischer, sondern elitärer Führung und von einem Europa unter der Führung eines solchen Deutschlands. Aber welches Deutschland wäre das gewesen?

„Vielleicht hätten wir in einer parlamentarischen Monarchie unter einem Kaiser oder Erzherzog Otto ganz gut leben können“, meint Welan. „Aber hätten wir in der elitären Republik Deutschland Stauffenbergs, die Europa hätte führen sollen, leben wollen? Die Antwort kann nur Nein lauten.“

Stauffenberg forderte die Führung der Nation für das Offizierskorps. Er war für die Wiederherstellung der bürgerlichen und politischen Rechte und eine Volksvertretung ohne politische Parteien bisheriger Art. Wie Zessner war er aber kein Mann der Aufklärung, sondern der Gegenaufklärung. Wie der österreichische Freiherr Zessner war er kein Demokrat, auf keinen Fall ein Demokrat im heutigen Sinn.

Deutschland sollte Europa führen! Das war Stauffenbergs Vision. Zessner war da ganz anders. Oder doch nicht?

Er war begeistert von der völkerverbindenden Sendung des österreichischen Volkes, das der sittlichen Ordnung in Europa dienstbereit sei und eine Kultur trage, die über jeden Nationalismus erhaben und hinausgewachsen sei. Diese Mission Österreichs in Europa bewahre die friedensvollen und gerechten Ideen der völkerversöhnenden Wege der Rechtsordnung und der Völkerordnung der Zukunft. Aber trug das österreichische Volk diese Kultur? Trägt das österreichische Volk heute diese Idee, fragt der emeritierte Hochschullehrer.

Zessner und Stauffenberg hatten sich neben der realen eine andere, irreale Welt geschaffen, in der sie mit ihren Hoffnungen lebten. Sie sahen vor lauter Illusionen und Idealen nicht oder zu spät die Wirklichkeit. Peter Altenbergs Spruch: „An seinen Idealen zugrunde gehen, das heißt lebensfähig sein“, fällt einem bei beiden ein.

Manfried Welan schließt: „Stauffenberg war ein Held. Zessner war kein Held. Nach einem Ausspruch von Alfred Missong war er ein Heiliger.“ (hws)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.