Vor 25 Jahren: Als die Welt aufhörte, geteilt zu sein

Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand
Frankreichs Staatspräsident François MitterrandEPA
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Am 21. November 1990 besiegeln Ost und West in Paris das Ende des Kalten Krieges. Die "Charta für ein neues Europa" sollte für Frieden und Demokratie am Kontinent sorgen.

„40 Jahre haben wir Stabilität ohne Freiheit in Europa gehabt. Jetzt wollen wir Freiheit in Stabilität.“ Diese Worte sprach Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand am 19. November 1990 anlässlich der Eröffnung des KSZE-Sondergipfels in Paris. Ziel der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die sich hinter dem Kürzel verbirgt, war es, die über Jahrzehnte durch den „Kalten Krieg“ gespaltene Welt wieder zusammenzuführen und das Ende des Wettrüstens zwischen Ost und West schriftlich zu besiegeln. In der Präambel der Charta heißt es: „Das Zeitalter der Konfrontation und der Teilung Europas ist zu Ende gegangen. Wir erklären, dass sich unsere Beziehungen künftig auf Achtung und Zusammenarbeit gründen werden. Europa befreit sich vom Erbe der Vergangenheit.“

Vorausgegangen waren dem Schriftstück Jahre der Konfrontation, die ihren Anfang im Ende des Zweiten Weltkrieges nahmen: Hatte noch auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 Einklang zwischen den USA, der Sowjetunion und Großbritannien geherrscht, die die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen vereinbarten, so sollten sich die Vereinten Nationen bald an der „aggressiven“ Politik der UdSSR gegen den Westen stoßen. Der britische Premier Winston Chruchill brachte die Feindschaft am 5. März 1946 auf den Punkt: „Von Stettin an der Ostsee bis Triest an der Adria ist ein eiserner Vorhang über den Kontinent heruntergegangen.“ Ein Jahr später gab der Journalist Walter Lippmann dem Geschehen seinen Namen: „The Cold War“ nennt sich das Buch, das er damals veröffentlichte. Und tatsächlich sollte ein „Kalter Krieg“ die kommenden vier Jahrzehnte beherrschen – ohne dass er je erklärt wurde.

Zementierte Feindschaft

Die Risse zwischen Ost und West vertieften sich 1947, als US-Präsident Harry Truman einen neuen politischen Kurs verkündete: Amerika werde allen Staaten beistehen, die vom (sowjetischen) Kommunismus bedroht würden, der gebeutelten europäischen Wirtschaft bot es den „Marshallplan“ an – ein Dorn in den Augen von Josef Stalin. Der Diktator untersagte den osteuropäischen Ländern die Teilnahme an dem Aufbauprogramm, ebenfalls blockierten die Sowjets die Energie- und Lebensmittelversorgung Westberlins – die Westalliierten antworteten mit einer Luftbrücke. Zwar wurde die Blockade 1949 aufgehoben, doch an der Teilung der Welt in zwei Lager war nichts mehr zu ändern.

Im Gegenteil: Die Gründung der Nato („North Atlantic Treaty Organization“) sowie die Verabschiedung des Warschauer Pakts und schließlich der Beginn des Aufbaus der „Berliner Mauer“ am 13. August 1961 zementierten die Feindschaft.

1949 fiel mit dem ersten sowjetischen Nukleartest der Startschuss für ein militärisches Wettrüsten. 1950 kamen auf 300 US-Sprengköpfe nur noch zehn sowjetische. 1952 zündeten die USA die erste Wasserstoffbombe. Ein Jahr später zog die Sowjetunion nach. Vier Jahre darauf, am 5. Oktober 1957, schickte sie den Satelliten „Sputnik“ in die Erdumlaufbahn. Zum „heißeste Jahr“ des Konflikts aber wurde 1962: Damals entdeckten die Amerikaner auf Kuba Abschussrampen für sowjetische Raketen. Wie viel diplomatisches Geschick vonnöten war, um einen Dritten Weltkrieg abzuwenden, lässt sich nur erahnen – rein rechnerisch hätten die Kernwaffenbestände der Supermächte längst dazu ausgereicht, die Menschheit mehrfach zu vernichten.

Von Raketen zu Reykjavík

In den 1970er-Jahren kochte die gereizte Stimmung erneut hoch: Die Sowjets ersetzten ihre Mittelstreckenraketen in Europa durch moderne „SS-20"-Raketen, woraufhin die Nato mit der Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen, unter anderem in Westdeutschland, drohte. An diesem Punkt kippte die Stimmung in der Bevölkerung. Kritische Stimme, die die enormen Kosten der Aufrüstungen kritisierten und die Moral dieser Politik infrage stellten, wurden laut. Friedensbewegungen erhielten großen Zuspruch. Proteste fanden statt. Die Stationierung neuer Atomwaffen ließ sich dennoch nicht verhindern. Eines aber schienen sie zu bewirken: US-Präsident Ronald Reagan sprach 1983 davon, dass eine atomwaffenfreie Welt geschaffen werden müsste – obgleich er im selben Atemzug die Entwicklung eines weltraumgestützten Raketenabwehrprogramms ankündigte, wodurch sich das Wettrüsten in das Weltall verlagerte.

In der UdSSR übernahm 1985 Michail Gorbatschow die politischen Geschäfte. Er war, ähnlich wie Reagan an einer Eindämmung der Rüstungskosten interessiert – die hohen Ausgaben behinderten seine Reformvorhaben. Bei einem Treffen in Reykjavík im Jahr darauf einigten sich die beiden Politiker darauf, nukleare Waffensysteme zu beseitigen. Am 9. November 1989 folgte mit dem Fall des Eisernen Vorhangs das haptische Aus des Ost-West-Konflikts. Schriftlich beglaubigt wurde das Ende des Kalten Krieges am 21. November 1990 mit der „Charta von Paris für ein neues Europa“. Ihre Gültigkeit ist jedoch begrenzt: Weder ist seither eine atomwaffenfreie Welt entstanden, noch konnten militärische Auseinandersetzungen auf dem Kontinent verhindert werden.

>>> Originaltext der Charta von Paris

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