Politisches Buch: NS-Opfer als Tabuthema

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"Ausgelöschte Namen" zeichnet das Schicksal von 200 Opfern des Nationalsozialismus im Kärntner Gailtal nach.

Wien. Karl Jank, geboren 1915 in Rattendorf im Gailtal, ermordet 1943 in der Kärntner Heil- und Pflegeanstalt in Klagenfurt. Albert Theodor Menninger-Lerchenthal, jüdischer Arzt in Hermagor, verstorben 1944 unter ungeklärten Umständen. Hans Lagger, Leiter des Republikanischen Schutzbundes in Kärnten, verstorben 1949 an den Spätfolgen der Haft im Konzentrationslager Dachau. Das sind drei von 200 Schicksalen, die der Kärntner Politikwissenschafter Bernhard Gitschtaler gemeinsam mit einem Historikerteam akribisch nachzeichnet.

„Ausgelöschte Namen“ heißt das „Erinnerungsbuch“, das sich mit den Opfern des Nationalsozialismus im Kärntner Gailtal beschäftigt. Und Opfer gab es selbst in dieser abgelegenen Gegend mehr, als man glauben will. Allein mehr als 50 Gailtaler waren Opfer des Euthanasieprogramms, ermordet im Krankenhaus Klagenfurt oder in der Tötungsanstalt Hartheim. Die Gründe für die Verfolgung sind breit gefächert, die 200 Biografien liefern ein Spiegelbild der Unmenschlichkeit des Regimes. Juden, Homosexuelle, Geistliche, Widerstandskämpfer und „Arbeitsscheue“ befinden sich unter den Opfern.

Ein eigenes Kapitel ist der Aussiedlung von Kärntner Slowenen gewidmet. Elf Familien beziehungsweise 50 Personen aus dem Gailtal wurden in unterschiedliche NS-Lager in Deutschland gebracht. Deren Höfe gingen an verdiente Nationalsozialisten unter den Bauern. Nach Kriegsende hatten die Ausgesiedelten oft Mühe, ihren Besitz zurückzuerhalten.

Das Buch hat durchaus auch aktuelle Brisanz: Über die Opfer des NS-Terrors zu sprechen sei im Tal ein großes Tabu gewesen, berichtet Bernhard Gitschtaler. NS-Opfer würden, wenn überhaupt, dann nur im engsten Familien- und Nachkommenkreis thematisiert werden. „In Anbetracht der unerwartet hohen Opferzahl mutet es mehr als merkwürdig an, dass 200 Personen jahrzehntelang vergessen werden konnten“, so der Autor. Eine solche Entwicklung werfe ein Schlaglicht auf die Herrschaftsstrukturen und die Haltung vieler Menschen im Gailtal nach 1945 bis heute. (maf)

Buchtipp

Bernhard Gitschtaler (Hg.)
„Ausgelöschte Namen“
Otto Müller Verlag, 383 Seiten, 27 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2015)

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