Die zwei Staaten legten ihren Streit über Zwangsprostitution im Zweiten Weltkrieg bei. Tokio entschuldigt sich und entschädigt die wenigen noch lebenden Opfer.
Tokio. Fast 25 Jahre dauerte der Streit zwischen Japan und Südkorea über Schuld und Sühne, über Verbrechen und deren Verleugnung, über Moral und materielle Entschädigung. 1991 hatte die Koreanerin Kim Hak-sun als Erste öffentlich und unter Tränen berichtet, wie ihr von Japans Soldateska während des Zweiten Weltkriegs Jugend und Ehre geraubt worden waren und sie seither mit einem sozialen Stigma belegt wurde, wenn sie ihr Schicksal offenbarte. Inzwischen sind fast alle der Koreanerinnen gestorben, die als junge Frauen im Krieg von Japans kaiserlicher Armee zur Prostitution in Militärbordellen gezwungen worden sind, ohne je Gerechtigkeit erfahren zu haben.
Am Montag nun wurde ein Strich unter diese Affäre gezogen, die das Verhältnis zwischen Tokio und Seoul mehr belastet hatte als alles andere – „endgültig“, wie es hieß.
Japan erkennt seine Schuld an, bekundet tiefes Bedauern, verspricht Entschuldigung und Entschädigung. Premier Shinzo Abe will sich bei nächster Gelegenheit öffentlich dazu äußern. Tokio hat zugesagt, eine Milliarde Yen (7,6 Millionen Euro) in einen Fonds einzuzahlen, um die noch lebenden „Trostfrauen“, wie sie in Japan hießen, zu entschädigen und sie finanziell zu unterstützen.
Nach Schätzungen südkoreanischer Historiker sollen rund 200.000 Frauen und Mädchen aus Korea, China, Indonesien und anderen japanisch besetzten Ländern einst in die Armeebordelle gezwungen worden sein. 238 Südkoreanerinnen überwanden erst lang nach Kriegsende ihre Scham und ließen sich von der Regierung als Opfer registrieren. 46 von ihnen leben noch, ihr Durchschnittsalter liegt bei 89.
„Wunde in Ehre und Würde“
Es ist eine historische Einigung, die die Außenminister Südkoreas und Japans, Yun Byung-se und Fumio Kishida, am Montag in Seoul erzielt haben. Tokios Chefdiplomat sprach erstmals und ausdrücklich im Namen seines Premiers Abe davon, dass Japans Militär „tiefe Wunden in der Ehre und Würde vieler Frauen hinterließ“ und sein Land dafür in schwerer Verantwortung stehe. Beide Seiten, so hieß es auf einer gemeinsamen Pressekonferenz, betrachteten das Thema als „abschließend und endgültig“ bereinigt.
Ob es so einfach ist, muss sich erst zeigen. Schon lang gibt es Stimmen, die fordern, dass Japan rechtliche Verantwortung für die gesamte Periode der Kolonialisierung und Kriegsbesatzung von 1910 bis 1945 übernimmt. Historiker und Menschenrechtler mahnen zur Eile: Jetzt gebe es noch ehemalige Sexsklavinnen, bei denen sich Japan entschuldigen könne. Bisher hatte Tokio stets auf dem Standpunkt beharrt, die Angelegenheit sei bereits durch das Abkommen von 1965, das die Normalisierung beider Staaten regelt, „abschließend und endgültig“ bereinigt.
„Japaner warten auf unseren Tod“
Die 90-jährige Kim Gun-ja beklagt, dass „die Japaner ja nur darauf warten, dass wir endlich sterben. Wenn alle Opfer tot sind – wer wird dann noch für uns kämpfen?“ Die 89-jährige Yi Ok-seon, die als 15-Jährige entführt und in ein Bordell gezwungen wurde, fordert sogar, dass „der japanische Kaiser hierherkommt, vor uns niederkniet und sich dafür entschuldigt, was seine Truppen uns angetan haben“. An Armen und Füßen hat sie tiefe Narben, die von japanischen Schwertern stammen. „Wir haben nur als Krüppel überlebt“.
Die Wende hatte das jüngste Gipfeltreffen von Südkoreas Staatschefin, Park Geun-hye mit Premier Abe Anfang November in Seoul eingeleitet. Die Fronten waren bis dahin so verhärtet, dass sich Park seit Beginn ihrer Amtszeit 2013 geweigert hatte, ihren japanischen Amtskollegen überhaupt zu bilateralen Gesprächen zu empfangen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2015)