Ein Reporter eröffnete den ersten Opernball

 Thomas Chorherr
Thomas Chorherr(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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1956: Der Redakteur der „Presse“ raste nach dem ersten Walzer zur Telefonzelle, um zu berichten.

Wien. „Zuschauerraum und Bühne – ein architektonisches Wunderwerk aus Blumen, Farben und Licht.“ So betitelte „Die Presse“ in ihrer Ausgabe vom 10. Februar 1956 die Reportage über den ersten Wiener Opernball nach Kriegsende und dem Wiederaufbau der Wiener Staatsoper. Verfasser war der 23-jährige Lokalreporter Thomas Chorherr, für den das zum unvergesslichen Erlebnis wurde.

Den Wiederaufbau der im März 1945 von US-Bomben total zerstörten Oper hatte der junge Mann schon für seine Zeitung mitverfolgt. „Ich durfte auch über die feierliche Wiederöffnung im November 1955 berichten. Wir haben die alten Sänger und Schauspieler, die in die Heimat zurückkehrten, schon am Westbahnhof abgeholt und machten dort die ersten Reportagen. Die Festaufführung des ,Fidelio‘ mit Anton Dermota wurde im Radio und auch mit Lautsprechern auf die Straße übertragen. Mein größter Eindruck war der Jubelruf von Direktor Karl Böhm: ,Gott, welch ein Augenblick!‘“.

So kam Chorherr zu dem ehrenvollen Auftrag seines Lokalchefs Ludwig Derka, auch über den Opernball zu berichten. Aber so leicht gestaltete sich das nicht, denn der junge Mann wollte gleichzeitig im Eröffnungskomitee tanzen. „Die Ballorganisatorin, Christl Schönfeld, sagte Nein: Einen Journalisten brauchen wir nicht im Komitee. Daraufhin hat unser Eco-Ressortchef, Graf Chorinsky, die Gräfin Schönfeld angerufen. So machte sie eine Ausnahme.“

Im Frack in der Stadtbahn

„Beim Lambert Hofer musste ich mir einen Frack ausleihen“, erzählt der heute 83-Jährige amüsiert, „damit bin ich mit der Stadtbahn von der Pilgramgasse zur Oper gefahren, alle im Waggon haben mich angeschaut.“

Kaum war die festliche Eröffnung beendet, begann erst die wirkliche Arbeit. „Jetzt musste ich meine Tanzpartnerin Helga im Publikum zurücklassen und bin hinuntergerast zum Seiteneingang an der Kärntner Straße zur Telefonzelle. Hoffentlich ist die nicht besetzt! Gottlob war das nicht der Fall, so habe ich meine Reportage großteils druckreif durchgegeben.“

Eine wackere Leistung. Das Opus (über drei Spalten) sparte nicht mit textlichen Glanzlichtern. „Schon außerhalb des Operngebäudes gab es viel zu sehen: Wieder erstrahlte die Fassade im Licht tausendkerziger Scheinwerfer, wieder spiegelte sich der Strahl der Straßenlaternen im Chrom und Lack der Limousinen, die ab 21 Uhr in ununterbrochener Reihenfolge vorfuhren. Livrierte öffneten die Wagenschläge, geleiteten die Gäste ins Foyer . . .“ Der junge Mann war in Fahrt.

Ein „Blumenmeer“ darf nie fehlen

„Jene, denen das Innere des Operngebäudes vertraut ist, erkannten es Donnerstagabend fast nicht wieder. Das Ballkomitee hatte ganze Arbeit geleistet – und das Heer von Arbeitern mit ihnen. Foyers und Wandelgänge, vor allem aber der große, aus Bühne und Zuschauerraum kombinierte Tanzsaal, präsentierten sich als Blumenmeer.“

„Ein Dutzend Friseurinnen“, berichtet Chorherr, „hatten seit 20 Uhr in den Garderoben fieberhaft 200 junge Mädchen dekoriert.“ Dass eines davon seine spätere Ehefrau Christa war, wusste er natürlich damals noch nicht. Die Atmosphäre war im Vergleich zu heute vom Niveau her tausend und eins“, sagt unser Augenzeuge. Mag sein. Vielleicht spielt da auch Verklärung mit. (hws)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2016)

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