Vorwurf: Justiz setzt Verbotsgesetz "faktisch außer Kraft"

Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen-Komitees
Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen-KomiteesAPA/GEORG HOCHMUTH
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Nachwehen der "Aula"-Affäre: Das Mauthausen-Komitee kritisiert Richter und Staatsanwälte scharf, das Justizministerium spricht von "Einzelfällen".

Nach der Aufregung um die eingestellten Ermittlungen wegen NS-Wiederbetätigung gegen die Zeitschrift "Aula" hat das Mauthausen-Komitee Österreich (MKÖ) am Mittwoch wiederholte "Justizskandale" und die Haltung vieler Richter und Staatsanwälte kritisiert. "Das NS-Verbotsgesetz ist ein Grundpfeiler unserer Rechtsordnung. Nicht wenige Richter und Staatsanwälte setzen es aber faktisch außer Kraft", so der Vorwurf des MKÖ-Vorsitzenden Willi Mernyi in einer Aussendung. Neben dem nicht weiter verfolgten "Aula"-Artikel, in dem Überlebende Häftlinge des KZ Mauthausen als "Landplage" und "Massenmörder" bezeichnet worden waren, nannte er noch zwei weitere Beispiele.

So habe es in Wiener Neustadt einen Freispruch für den Verfasser des NVP-Parteiprogramms (Nationale Volkspartei) gegeben, und das trotz wörtlicher Übernahme eines SS-Textes. Die Staatsanwaltschaft Linz wiederum habe einem türkischen Friseur, der mit einem fiktiven Hitler-Zitat auf Facebook den Holocaust gerühmt hatte, zunächst eine "bloße Unmutsäußerung gegen Israel" bescheinigt. "Diese Skandalliste ließe sich noch lange fortsetzen", so Mernyi, der die Haltung von Ressortchef Wolfgang Brandstetter (ÖVP) aber positiv hervorhob.

Ministerium: "Justiz kommt ihrer Aufgabe nach"

Das Ministerium ließ die Vorwürfe nicht auf sich sitzen. Es können keine Schlussfolgerung von drei Einzelfällen auf die allgemeine Einstellung der Justiz gegenüber nationalsozialistischer Wiederbetätigung und Verhetzung geben, hieß es in einer der APA übermittelten schriftlichen Stellungnahme. Hingewiesen wurde auf 89 Anklagen und 55 (teils noch nicht rechtskräftige) Urteile nach dem Verbotsgesetz im Jahr 2015, davon lediglich sieben Freisprüche und fünf teilweise Freisprüche.

Wegen Verhetzung gab es demnach 79 Strafanträge und 30 Urteile, fünf davon Freisprüche. "Alleine diese Zahlen beweisen, dass die Justiz ihrer Aufgabe nachkommt, entschlossen gegen Nazismus und hetzerische Äußerungen vorzugehen", wurde seitens des Justizministeriums betont. "Von einem Außerkraftsetzen in der täglichen Praxis kann eben so wenig die Rede sein wie von einer mangelnden Fachaufsicht, wie gerade das Beispiel des Linzer Friseurs beweist."

(APA)

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