Causa „Aula“: „Habe das Dritte Reich selbst erlebt“

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Gottfried Strasser steht in der Kritik, weil er die Einstellung des Verfahrens zum KZ-Artikel guthieß. Er habe juristisch entschieden, betont er. Und er fordert härtere Gesetze gegen NS-Sprüche.

Als ihn die „Presse“ am Mittwoch anruft, ist er gerade dabei, einen Brief an Justizminister Wolfgang Brandstetter zu diktieren. Um die Ereignisse der vergangenen Tage klarzustellen, wie Gottfried Strasser sagt. Der Rechtsschutzbeauftragte der Justiz fühlt sich missverstanden, vor allem von SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim, der Strasser in seinem Amt infrage stellt. Und vom Grün-Abgeordneten Harald Walser, dessen Anzeige wegen eines Artikels in der Zeitschrift „Aula“ zum Thema „Mauthausen-Befreite als Massenmörder“ von der Justiz zurückgelegt worden war.

Es tue ihm weh, erklärt Strasser, wenn so getan werde, als sei er bei der NS-Zeit unsensibel. „Das stört mich, wo ich doch das Dritte Reich selbst erlebt habe. Schon in der Früh haben wir ,Heil Hitler‘ schreien müssen“, erinnert sich Strasser (Jahrgang 1934) an diese „fürchterliche Zeit“. Für Kritik hatte gesorgt, dass Strasser im Zusammenhang mit der Causa „Aula“ Journalisten persönliche Erfahrungen geschildert hatte. So habe es Kriminelle gegeben, die von der SS im Lager als Kapos eingesetzt worden seien. Ein Mann habe seinen Vater, einen Polizisten, mit einer Pistole bedroht, hatte Strasser erzählt.

Im von der Justiz geprüften Artikel des FPÖ-nahen Magazins „Aula“ hieß es, „dass ein nicht unerheblicher Teil der befreiten Häftlinge aus Mauthausen den Menschen zur Landplage gereichte“. Die Staatsanwaltschaft Graz stellte die Ermittlungen nach dem Verbotsgesetz ein und erklärte: „Es ist nachvollziehbar, dass die Freilassung mehrerer Tausend Menschen aus dem Konzentrationslager Mauthausen eine Belästigung für die betroffenen Gebiete Österreichs darstellte.“ Eine Wortwahl, die vom Justizministerium als „Menschenverachtung, die beispiellos ist“, gerügt wurde.

Strasser hätte die Ermittlungen fortführen lassen können. Das tat er nicht. Doch nicht wegen persönlicher Erlebnisse, wie er betont, sondern aus rein juristischen Gründen. Der Durchschnittsleser werde in dem Artikel keine Verharmlosung der NS-Zeit erblicken, meint Strasser. Der Artikel sei ungut, erfülle aber keinen gerichtlich strafbaren Tatbestand. Die Einstellungsbegründung der Staatsanwaltschaft habe er nicht kritisiert, weil das nicht seine Aufgabe sei. „Eine Begründung kann noch so blödsinnig sein“, erzählt Strasser. Wenn das juristische Ergebnis passe, werde er das Verfahren trotzdem nicht fortführen lassen.

Von Medea zu Jus inspiriert

Als Rechtsschutzbeauftragter wacht Strasser nicht nur über Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaften. Er genehmigt auch verdeckte Ermittlungen und Überwachungen von Personen. Dabei wollte Strasser erst nicht Jurist werden. Der gebürtige Wiener, der während des Kriegs zu den Großeltern nach Oberösterreich kam, erwog als Schüler, Mittelschulprofessor zu werden. „Aber da haben mir die Lehrer gesagt: ,Da verdienst du einen Schmarrn.‘“ Architektur habe er wegen eines Augenfehlers nicht studiert, auch Medizin schied aus.

Denn in der achten Klasse musste Strasser in einem Aufsatz ein Plädoyer für einen Freispruch von Medea halten, der mythologischen Königstochter, die – von Iason verlassen – mehrere Personen umbrachte. Diese Schulaufgabe sei „ein ursächliches Moment“ für das Jus-Studium gewesen, sagt Strasser. Er wird Richter, dann Staatsanwalt, dann Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof.

1999 geht er in dem Amt in Pension. 2003 wird Strasser zum Rechtsschutzbeauftragten ernannt, zuletzt 2015 für drei Jahre wieder bestellt. Auch als Verfahrensanwalt im Eurofighter- und Innenministerium-Untersuchungsausschuss sowie im Expertenrat, den Justizministerin Claudia Bandion-Ortner 2009 einsetzt, wird Strasser tätig. Mit ihm damals im Expertenrat: der spätere Minister Brandstetter.

„Heil Hitler“ strenger ahnden

Gottfried Strasser will jedenfalls Rechtsschutzbeauftragter bleiben. Und er möchte, dass die Politik strengere Strafgesetze gegen NS-Verharmlosung beschließt, wie er betont. So sei es etwa unbefriedigend, dass jemand, der betrunken „Heil Hitler“ schreit, nur eine Verwaltungsübertretung begehe: Denn das sei mehr als eine bloße Unmutsäußerung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2016)

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