Als Mozart noch nicht Salzburg beherrschte

PRESSEFUeHRUNG SALZBURGER LANDESAUSSTELLUNG: 'BISCHOF.KAISER.JEDERMANN'
PRESSEFUeHRUNG SALZBURGER LANDESAUSSTELLUNG: 'BISCHOF.KAISER.JEDERMANN'APA/BARBARA GINDL
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Die erste Salzburger Landesausstellung seit 22 Jahren: „Bischof. Kaiser. Jedermann“ zeigt 200 Jahre Salzburg bei Österreich – in Schauplätzen, Geschichten und (aus vielen Ländern zurückgeholten) Kunstschätzen.

„Eighteen hundred and frozen to death“, so nannte man in den USA das – durch den Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora verdüsterte – Jahr 1816, und auch in die europäische Geschichte ging es als „Jahr ohne Sommer“ ein. Nicht von Kälte und Hunger, nur von Heil kündet ein Gedicht, das der Hilfspfarrer Joseph Moor in jenem Jahr im frostigen Lungau schrieb. Franz Xaver Gruber, Dorfschullehrer in Arnsdorf (nördlich der Stadt Salzburg), verfasste die Melodie dazu, und am Heiligen Abend 1818 führten die beiden in der Kirche von Oberndorf zum ersten Mal „Stille Nacht, heilige Nacht“ auf. Da Gruber 1863 in Hallein starb, steht dort heute ein Stille-Nacht-Museum: Das berühmteste Weihnachtslied ist sozusagen multilokales Salzburger Kulturgut. So gehört ihm nun auch ein Raum in der Salzburger Landesausstellung – zumal diese aufs Jahr seiner Entstehung fokussiert ist: Sie feiert, dass Salzburg seit 1816 bei Österreich ist.

Es ist die erste Salzburger Landesausstellung seit 1994, bei der Präsentation war viel von Stolz die Rede, und Landeshauptmann Haslauer erklärte: „Das ist kein touristisches Projekt. Das gönnen wir uns selbst.“ In der Ausstellung, zu der Land und Stadt Salzburg je 1,5 Millionen Euro beigetragen haben, sehen die Salzburger, so Bürgermeister Schaden, auch „Dinge, die wir seit 200 Jahren nicht gesehen haben“. Denn die Wirren der napoleonischen Kriege – 1800 eroberte die französische Armee in der Schlacht am Walserfeld das Fürsterzbistum Salzburg zum ersten Mal – brachten auch massenhaften Abtransport von Kunstwerken; und was 1816 noch übrig war, wurde nach Wien verbracht. Der opulenteste Teil – „Schatzkammer Salzburg“ im Keller – zeigt Stücke, die nun wenigstens für dieses Jahr nach Salzburg zurückgekehrt sind, und er zeigt ihre oft verschlungenen Wege. Der Jüngling vom Magdalensberg etwa, eine römische Bronzestatue, 1502 von einem Kärntner Bauern beim Pflügen gefunden. Sie kam in den Besitz des Bischofs von Gurk, der sie, als er 1519 Erzbischof von Salzburg wurde, dorthin mitnahm. 1551 überließ sie das Domkapitel König Ferdinand I. in Wien, fertigte aber eine Kopie an, die erst 1806 nach Wien kam. Dass es nur ein Abguss ist, weiß man erst seit 1986, das Original ist in Spanien verschollen, nachdem es lang in den königlichen Gärten von Aranjuez gemeinsam mit einer Venus aus der Renaissance ausgestellt war.

Die älteste Urkunde Österreichs

Genauso wild ist die Geschichte eines 1577 in Istanbul gefundenen antiken Löwen, der, bevor er 1804 nach Wien kam, u. a. einige Zeit bei den Wasserspielen in Schloss Hellbrunn verbrachte. Immer noch aktiv sind die beiden Zepter der Universität Salzburg, das päpstliche und das kaiserliche, 1944 in einer SS-Limousine aus Würzburg nach Salzburg zurückgeführt: Sie werden immer wieder aus der Ausstellung entnommen werden, wenn man sie für akademische Feiern braucht. Mit dem Schauder der zeitlichen Tiefe steht man vor der ältesten erhaltenen Urkunde Österreichs: Mit ihr bestätigte Kaiser Ludwig der Fromme 818 der Salzburger Kirche ihre Rechte.

Mit Bergwerk und Sagen, die von ihm erzählen, etwa der vom Venedigermännlein, beginnt der erzählerische Teil der Ausstellung. Auch hier öffnen sich Blicke in die Antike, etwa auf die um 1840 bei der Aufstellung des Mozartdenkmals auf dem Mozartplatz gefundenen römischen Mosaike mit dem Spruch „Hic habitat felicitas, nihil intret mali.“ (Hier wohnt das Glück, nichts Böses trete ein.) Dass der Genius Loci erst Jahrzehnte nach seinem Tod etabliert wurde, illustriert ein Reisebericht Franz Schuberts aus dem Jahr 1825: Er suchte nicht die Spuren Mozarts, sondern vergoss „eine schwere Thräne“ für den großen Tonkünstler Johann Michael Haydn. Ein paar Zimmer weiter werden zwei Bildhauer gegenübergestellt: der überzeugte Nazi Josef Thorak, der sich freilich nach 1945 als Opfer sah, und der vor dem NS-Terror geflohene Fritz Wotruba. Im Festspielsommer 1950 stellten beide aus, zu Wotruba kamen 700, zu Thorak 22.000 Besucher. Auch viele Salzburger Kritiker schwärmten von diesem und verrissen jenen, manchmal in einem Ton, der an die Urteile der Nazis über „entartete Kunst“ erinnerte. Und heute fand sich niemand mehr, von dem man Thorak-Werke ausborgen konnte . . .

So durchdacht Auswahl und Präsentation der Geschichten sind, sie fordern allein durch die schiere Menge der Objekte. Etwas Ruhe findet man im dritten, meditativen Teil der Ausstellung: Für „Am Schauplatz“ haben Künstler der Galerie Fotohof acht Orte eingefangen, an denen Salzburger Geschichte passiert ist, vom Pass Lueg bis Schönbrunn. Man sieht ruhige Landschaften, durch die sich nur dann und wann Objekte bewegen, Vögel etwa, Blätter, Schneeflocken, während sich nur die Jahreszeiten ändern. Es wird Winter, Frühling, Sommer, Herbst auf dem Walserfeld, und das ganze Jahr erzählt nichts davon, dass dort einst eine Schlacht getobt hat. Der sanfte, zyklische Lauf der Natur gegen das lineare Rasen der Geschichte: eine schlichte Idee, aber sie wirkt. Bei der Präsentation schneite es im Hof der Neuen Residenz. Man erwartet 60.000 Besucher. Das sollte realistisch sein.

Bis 30. Oktober. Zahlreiche Vermittlungsangebote, im Hof stellt sich je eine von 20 Salzburger Gemeinden vor. Die lesenswerten zwei Kataloge kosten zusammen 29 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2016)

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