HGM wird 125: Ein anderes Haus der Geschichte

SALUT-SCHIE�EN VOR DEM HEERESGESCHICHTLICHEN MUSEUM.
SALUT-SCHIE�EN VOR DEM HEERESGESCHICHTLICHEN MUSEUM.(c) APA (Herbert Pfarrhofer)
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Das Heeresgeschichtliche Museum im Wiener Arsenal feiert 125 Jahre Bestand. Gebaut als Ruhmestempel für die k. u. k. Armee, zeigt es heute die Absurdität des Krieges.

Zur Abschreckung, zur Niederhaltung der eigenen Bevölkerung hat sie der junge Kaiser Franz Joseph erbauen lassen: eine gigantische Kasernen-Anlage, genau eine Kanonenschussweite von der Residenzstadt: das Wiener Arsenal. 117 Millionen Ziegel wurden auf einem Areal von 688 mal 480 Metern verbaut, damit nie wieder eintrete, was 1848 fast zum Kollaps des Regimes und Sturz des Hauses Habsburg geführt hätte: eine neuerliche bürgerliche Revolution. Am 7. Oktober 1848 hatten Aufständische ja das kaiserliche Zeughaus in der Renngasse gestürmt, geplündert und die kaiserlichen Truppen aus Wien vertrieben. Der Hof war in heller Panik, nur blutig konnte die Revolte niederkartätscht werden.

Daher begannen schon 1849 die Bauarbeiten an den insgesamt 31 Objekten mit acht Kasernen im Arsenal, die für 6000 Soldaten ausgelegt waren. Bei neuerlichen Revolten wollte man autark sein: Magazine, Werkstätten für Handfeuerwaffen, Munition und Geschütze, sogar eine Kirche gab es.

Im Jahr 1891 hat der Kaiser die fertige Anlage besucht. Dieses Datum nimmt HGM-Direktor Christian Ortner zum Anlass für ein Jubiläumsfest „125 Jahre HGM“ am kommenden Mittwoch. 240.000 Personen besuchen alljährlich das wohl prächtigste Militärmuseum der Welt, das erlesene Exponate vorweisen kann. Aber auch die Baugeschichte selbst spiegelt die wechselvolle Geschichte Österreichs im 19. und 20. Jahrhundert.

Ringstraßenära in Erdberg

Denn in der Ringstraßenära ließ man sich nicht lumpen. Das Teuerste war gerade gut genug für imperiale Prachtentfaltung. Eduard van der Nüll, August Sicard von Sicardsburg, Ludwig Förster und Theophil Hansen, also die Architekten-Stars ihrer Zeit, sie konnten aus dem Vollen schöpfen. Allein die Innenausstattung dauerte 18 Jahre. Und das, weil Franz Joseph ganz genaue Vorstellungen hatte, wie der Ruhm seiner glorreichen Armee für alle Ewigkeit festzuhalten war. Carl Rahl und Carl Blaas schufen die Kolossalgemälde, die der „Ruhmeshalle“ ihr Gepränge verleihen. Für das Ansehen seiner Armee, die den Thron stützte und schützte, war Franz Joseph bekanntlich nichts zu teuer. Dass sie für einen Maschinenkrieg des 20. Jahrhunderts völlig ungeeignet war, sollte man erst 1914 entdecken.

Christian Ortner („Ich lebe für dieses Haus“) empfängt im Vestibül, wie es prächtiger wohl kein Palast in Wien aufweisen kann: 56 Standbilder von österreichischen Herrschern und Heerführern geleiten ins Innere des Museums, die Feldmarschälle Radetzky und Windisch-Graetz, die Feldzeugmeister Haynau und Jelačić warten im Stiegenaufgang auf den Besucher. Sie hatten 1848 dem Kaiser den Thron gerettet. Jedoch: In der prächtig ausgestatteten Ruhmeshalle fehlt etwas: Hier sollte eine überlebensgroße Statue Franz Josephs errichtet werden. Dazu kam es nicht mehr.

„Wir haben heute etwa 1,2 Millionen Exponate“, erzählt Ortner stolz, „davon können wir nur zehn Prozent ausstellen.“ Aber die haben es in sich. Prunkstück ist natürlich der historisch bedeutsamste Oldtimer der Welt, das Auto von Sarajewo. In dem sechssitzigen Doppel-Phaëton von Gräf & Stift mit Vier-Zylinder-Motor, 32 PS stark, aus dem Privatbesitz des Grafen Harrach, fanden der Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gattin Sophie am 28. Juni 1914 in Sarajewo den Tod. Die zwei Schüsse des Gavrilo Princip am Appelkai lösten den Ersten Weltkrieg aus. Er wäre wohl auch sonst durch ein anderes Ereignis losgebrochen, meinen die Historiker.

Das Auto mit einem Einschussloch auf der rechten Seite überließ Graf Harrach dem k. u. k. Heeresmuseum, wo es bis 1944 in der „Feldherrenhalle“ ausgestellt war. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde es beschädigt, seit 1957 befindet er sich restauriert an seinem heutigen Aufstellungsplatz. „Allein das Auto bringt mir jährlich etwa 30.000 Besucher“, schätzt Ortner.

Auf seinem Arbeitstisch liegen Aktenbündel, die noch der Erforschung harren: „Ein Teil vom Jansa-Nachlass“, erläutert er. Alfred Jansa also, der als Generalstabschef 1938 demissionieren musste, weil sich Bundeskanzler Schuschnigg nicht mit Waffengewalt gegen Hitlers Einmarsch zur Wehr setzen wollte.

„Avita et aucta“ lautet das Motto des HGM, das als einziges Bundesmuseum keine Autonomie besitzt, sondern dem Verteidigungsministerium untersteht. „Ererbt und vermehrt“ – und so freut man sich im 3. Bezirk über vier- bis fünftausend Neuzugänge pro Jahr. Sie dienen auch der Forschung, denn das HGM ist zugleich das Militärhistorische Institut. So vollzieht sich innerhalb weniger Generationen auch ein Wandel im Selbstverständnis des Museums. Was einst die k. u. k. Armee glorifizieren sollte, zeigt den Heutigen die Absurdität des Krieges, die hier greifbar und anschaulich wird. „Kriege gehören ins Museum“ ist daher ein passender Slogan.

Doch kein Nationalmuseum

Ortners Amtsvorgänger, der Militärhistoriker Manfried Rauchensteiner, hatte einen jahrelangen Kampf geführt, das HGM zum österreichischen Nationalmuseum zu machen. Er wollte das riesige devastierte Objekt 4 durch einen Neubau ergänzen und dort auch das Kriegsarchiv unterbringen. Diese Pläne scheiterten immer wieder an rot-schwarzer Politik. Jetzt ist der Zug für ein Haus der Geschichte bekanntlich in eine andere Richtung abgefahren. Mit einer derartigen Verspätung, dass man in der Hofburg bis zum 100. Geburtstag der Republik 2018 nicht fertig sein wird. Während Niederösterreich sein Haus der Geschichte in St. Pölten bereits im Juni 2017 eröffnen kann. Der Termin steht seit gestern fest.

ZUR PERSON

Nächsten Samstag: 70 Jahre Care-Paket.M. Christian Ortner (47) ist seit 2005 Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums im Arsenal. Der in Bad Aussee geborene Milizoffizier studierte in Wien mit Schwerpunkt Militär- und Kriegsgeschichte. Als Ausstellungskurator und Verfasser zahlreicher Publikationen über die k. u. k. Armee hat er sich europaweit einen Namen gemacht. Er lehrt auch an der Landesverteidigungs-Akademie.

Wiederaufbau. Die Amtsvorgänger Ortners, die renommierten Militärhistoriker Johann Christoph Allmayer-Beck und dann Manfried Rauchensteiner, hatten jahrzehntelang zu tun, um die 1945 devastierte Sammlung wieder zusammenzuführen und zu erfassen. Das Haus war im Dezember 1944 und im Jänner und März 1945 von Fliegerbomben schwer zerstört worden. Was nicht niet- und nagelfest war, wurde von durchziehenden fremden Soldaten, aber auch von der einheimischen Bevölkerung gestohlen. Die Rote Armee transportierte Tausende Hand- und Faustfeuerwaffen ab. Etwa vierzig Prozent der Sammlung gingen verloren. Rauchensteiners Verdienste liegen in der Neuausrichtung des Museums und der mühsamen Katalogisierung. [ HGM ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2016)

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