Eine schockierende Replik stoppte Jörg Haider

HAIDER-ABLEBEN
HAIDER-ABLEBEN(c) APA (KKI Veranstaltungs GmbH)
  • Drucken

„Ordentliche Beschäftigungspolitik“. Vor 25 Jahren wurde der Kärntner Landeshauptmann abgewählt.

Am 13. Juni 1991 ist im Kärntner Landtag Normalität angesagt. Es geht um ein Beschäftigungsprogramm, um Arbeitslosigkeit einzudämmen. Am Wort ist der Landeshauptmann Jörg Haider von der FPÖ, der seit 1989 in einer Koalition mit der Volkspartei regiert. Immer wieder prasseln hämische Zwischenrufe aus den SPÖ-Bänken auf den Redner ein, bis dieser aus dem Konzept gerät und wie folgt pariert: „Na, das hat's im Dritten Reich nicht gegeben, weil im Dritten Reich haben sie ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht, was nicht einmal Ihre Regierung in Wien zusammenbringt. Das muss man auch einmal sagen!“ Auf empörte Zwischenrufe aus den SPÖ-Reihen legt Haider unbekümmert noch nach. In Anlehnung an die einstige HJ-Mitgliedschaft des Altlandeshauptmannes Wagner von der SPÖ ruft er: „Immerhin waren Sie damals so gut ausgestattet, dass höherrangige Hitlerjungen noch vierzig Jahre später Ihre Partei anführten.“ – Aufruhr, Empörung. Die Landtagspräsidentin Kriemhild Trattnig von der FPÖ unterbricht schließlich auf Antrag von VP-Klubchef Georg Wurmitzer die Sitzung.

Von einer Rücktrittsaufforderung durch die SPÖ ist da noch keine Rede. Haider tritt nach der Pause ans Rednerpult: Er habe mit seiner Aussage „in keiner Weise eine positive Bewertung der Beschäftigungspolitik des Dritten Reichs gegenüber der österreichischen Beschäftigungspolitik gemeint“. Er ziehe diese Bemerkung bedauernd zurück.

Erst am Abend dann die ersten Rücktrittsaufforderungen, zunächst von den Grünen, dann von SP-Chef Peter Ambrozy. Er denke nicht im Traum daran, lässt Haider wissen. Die Volkspartei, die Haider zum Landeschef gewählt hat, sieht sich in der Zwickmühle. Landesparteichef Christof Zernatto spricht von einer Belastung der Koalition im Land und kündigt ein „sehr ernstes Gespräch“ mit Jörg Haider an.

Dann folgten schwerere Kaliber: In Linz sagte Bundeskanzler Franz Vranitzky, jetzt sei der Punkt erreicht, wo das Zumutbare überschritten sei. „Auch im Ausland wird das ja niemand mehr ernst nehmen.“ Wie könne die Volkspartei da noch an eine Koalition mit Haider denken? In Linz tagte nämlich der Bundesparteitag der SPÖ. Was war nun zu tun? Ambrozy machte der Kärntner ÖVP das Offert, Haider abzuwählen und einen nicht sozialistischen Landeshauptmann zu wählen: „Wir sind bereit, fürs Erste von unserem Anspruch zurückzutreten.“ Vranitzky fügte hinzu, Haider sei für kein Amt qualifiziert.

Während die Kärntner ÖVP noch lavierte, zog der designierte neue Bundesparteichef, Erhard Busek, die Reißleine. Er sprach sich im Fernsehen für ein Ende der Koalition mit der FPÖ aus. Doch Zernatto zögerte noch immer. Das Angebot, Haider zu stürzen und ihn zum Landeschef zu machen, sei „unsittlich“. Vor der FPÖ-Zentrale in der Wiener Kärntner Straße forderten empörte Demonstranten Haiders Rücktritt, die Polizei musste die Parteizentrale schützen.

Dass sich die Gemüter über den Kärntner Eklat derart erregten, kam der Bundes-SPÖ nicht ganz ungelegen. Er lenkte von einem peinlichen Eklat beim Bundesparteitag ab: Die Frauenvorsitzende Johanna Dohnal bekam nämlich bei der Wahl ins Parteipräsidium nur klägliche 69 Prozent. Was die Chefin der Linzer SJ, Sonja Ablinger, dermaßen erzürnte, dass sie vom Rednerpult aus den Männern ihre Verachtung entgegenschleuderte: eine Frechheit, ein Streichkonzert gegen Dohnal zu organisieren, „ohne dass irgendein Mann die Courage hat, sich zu Wort zu melden“. Es ging um Dohnals Quotenregelung.

Haider wurde am 21. Juni abgewählt, und Christof Zernatto erklomm den LH-Sessel. Im Jahr 1999 kam Haider als Landeshauptmann wieder – mit einem überzeugenden Wahlergebnis. Der Rest ist eine andere Geschichte. (hws)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.