Nettes Refugium der Präsidenten im Mürztal

 Das Jagdschloss Mürzsteg 1910. Postkarte zur ersten internationalen Jagdausstellung in Wien 1910. Der Kaiser höchstselbst eröffnete die Expo, für die er eigene Trophäen als Leihgaben beisteuerte.
Das Jagdschloss Mürzsteg 1910. Postkarte zur ersten internationalen Jagdausstellung in Wien 1910. Der Kaiser höchstselbst eröffnete die Expo, für die er eigene Trophäen als Leihgaben beisteuerte.(c) BIG
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Jagdhaus Mürzsteg. Als Privateigentum Franz Josephs erbaut, hatte das heutige Gästehaus der Bundespräsidenten schon mehrere Eigentümer.

Es war der nicht uneitle erste Bundespräsident der Zweiten Republik, Karl Renner, der 1947 glaubte, einen Sommersitz auf Regimentskosten haben zu müssen, obwohl er in Gloggnitz eine hübsche Villa besaß. Seine Wahl fiel auf das vormals kaiserliche Jagdschlössl im steirischen Mürzsteg, wiewohl der alte Herr alles, nur kein Jäger war. Die Bundespräsidenten der Ersten Republik besaßen kein so ausgeprägtes Repräsentationsbedürfnis, sie beanspruchten daher auch keinen Sommersitz auf Steuerzahlers Kosten.

Renner, der sich auch den Leopoldinischen Trakt der Hofburg als Amtssitz restaurieren ließ (vorher amtierten die Bundespräsidenten im Kanzleramt am Ballhausplatz), hatte also gewichtige Gründe für Mürzsteg: Im Fall einer Teilung des Landes durch die Sowjets hätte das Staatsoberhaupt rasch ins Steirische – und damit jenseits der Demarkationslinie retirieren können.

Des Kaisers „Privateigenthum“

Das Mürzsteger Jagdhaus, ein Lieblingsrefugium des schießnärrischen Kaisers Franz Joseph, war ab 1869 mit dem Blick auf die Veitschalpe vom renommierten Architektenduo Johann Romano und August Schwendenwein errichtet worden. Mit budgetierten Kosten von 30.000 Gulden, die der habsburgische Familienfonds vorstreckte. Durch die Auflassung der Hofjagden in den Fasangärten zu Holitsch und Niederweiden konnten jährlich 4400 Gulden eingespart werden. Und die musste die Apostolische Majestät alljährlich – mit fünfprozentiger Verzinsung – zurückzahlen. Somit betrachteten der Kaiser wie sein oberster Verwalter, Graf Wrbna von Freudenthal, das neue Jagdhaus als „Allerhöchstes Privateigenthum.“

Das war nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie 1918 kein Argument. Die Hofjagd wurde dem neu gegründeten Kriegsgeschädigtenfonds zugesprochen, um das Haus selbst gab es ein längeres Gezerre zwischen der Familie Habsburg und der Republik, die von dem legendären Rechtsanwalt Gustav Harpner vertreten wurde. Erst im Dezember 1919 war der Fonds auch Besitzer des Jagdschlosses. Dabei spielte zweifellos auch der Sühnegedanke eine bestimmende Rolle.

1935 war dann alles wieder ganz anders. Der christlichsoziale Ständestaat unter Kurt v. Schuschnigg übertrug Teile des habsburgischen Familienfonds wieder an die Familie. Mürzsteg hingegen ging direkt an den Sohn des letzten Kaiserpaares, Otto, als Chef des Hauses. Das war am 7. Jänner 1938. Und so kam es, dass Ottos Eigentümerschaft von den Behörden nicht mehr rechtzeitig ins Grundbuch eingetragen werden konnte, bevor Adolf Hitler am 13. März 1938 in Österreich Einzug hielt. Und Hitler hielt Otto von Habsburg für einen Hochverräter.

Schon bald waren in Mürzsteg die NS-Volkswohlfahrt und das NS-Winterhilfswerk eingezogen, Besitzer wurden die Reichsforste mit deren Chef Hermann Göring. Je länger der Zweite Weltkrieg dauerte, umso mehr Kunstgegenstände aus dem Jagdhaus verloren sich spurlos. Am Schluss verließen auch noch alle Metallgegenstände zugunsten der Rüstung das Haus, selbst Teekannen und Milchschöpfer wurden nicht verschont.

1945 fand zunächst die ungarische Stephanskrone für ein paar Tage Obdach in Mürzsteg, bevor sie nach Westdeutschland transportiert und dann nach Amerika geschafft wurde. Neuer Eigentümer in Mürzsteg waren da schon die österreichischen Bundesforste. Heute untersteht das Schloss der Burghauptmannschaft in Wien.

Zum Abschied von Heinz Fischer als Bundespräsident und als Dauergast in Mürzsteg ist nun ein prächtig illustrierter Band mit zeitgenössischen Fotos vom Interieur des Jagdschlössels erschienen. Sie erhärten den Befund, den jeder Besucher als ersten Eindruck mitnimmt: einige hübsche Möbelstücke, viel jagdlicher Kitsch, röhrende Hirsche, balzende Auerhähne, Jagdtrophäen von anno dazumal, alles unter Denkmalschutz. Auf jeden Fall kein Zweithaus, das heutigen Ansprüchen an sommerlichen Komfort entspricht.

Trotzdem haben sich einige Bundespräsidenten ganz wohl gefühlt. Sie zogen mit Sack und Pack, mit Sekretären und der Dienstpost ins Mürztal, wo das Personal alles ins Schuss hielt. So blieben wenigstens einige Arbeitsplätze erhalten, die in dieser Gegend Mangelware waren – und sind.

Für bescheidene Wanderer wie die Ehepaare Jonas, Kirchschläger und Fischer ist die Gegend zweifellos ein Dorado. Nur Adolf Schärf bevorzugte das mildere Klima von Warmbad Villach. Jäger waren sie allesamt keine, auch Waldheim oder Klestil nicht. Dieser nutzte das Sommerschloss aber 1994 für diskrete Verhandlungen zwischen den Bürgerkriegsparteien im Südsudan. In den vergangenen Jahren war UN-Generalsekretär Ban Ki-moon mit seiner Frau Ban Soon-tack mehrmals beim Bundespräsidenten zu Gast.

Dass die diskrete Atmosphäre gestört würde, war nie zu befürchten. Denn schon Karl Renner hatte größten Wert darauf gelegt, dass die Liegenschaft eingezäunt und gesichert wurde. So diente Mürzsteg in Heinz Fischers Amtszeit zahlreichen Funktionären für private Besuche: Horst Köhler, Vaclav Klaus, Hans Adam II., Milan Kuċan, Javier Solana und andere waren hier ebenso zu Gast wie Mitglieder der jeweiligen Bundesregierungen. Auch Pannen gab es. Etwa vor einem Jahr: Das Flüchtlingslager Traiskirchen platzte aus allen Nähten, jeden Abend sah man im Fernsehen Not, Elend, Schlamm, Dreck. Zu diesem Zeitpunkt die Bundesminister samt Partnerinnen/Partner zum Essen nach Mürzsteg zu laden, war zweifellos ein Missgriff.

„Am 8. Juli 2016“, so schließt das Buch, „wird das neunte Staatsoberhaupt der Zweiten Republik angelobt . . .“ Vielleicht. Vielleicht auch noch nicht. Das war bei Drucklegung des Bildbandes natürlich nicht abzusehen.

Das Buch

Ilsebill Barta, Markus Langer, Marlene Ott-Wodni
„Das kaiserliche Jagdhaus Mürzsteg“

Böhlau, 149 Seiten, 39 €

(Print-Ausgabe, 02.07.2016)

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