Als in Spanien der Zweite Weltkrieg geprobt wurde

Gefangennahme von republikanischen Milizionaeren =
Gefangennahme von republikanischen Milizionaeren =Anonym / Imagno / picturedesk.com
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Am 17. Juli 1936 putschten sich Offiziere in Nordafrika an die Macht, tags darauf griffen die Kämpfe auf das Mutterland Spanien über. Es folgte ein Bürgerkrieg, der General Francisco Franco zum Führer machen und rund 800.000 Menschen das Leben kosten sollte.

Auf ein Schlagwort hin haben die Garnisonen von Spanisch-Marokko in der Nacht auf heute um ein Uhr den Aufstand proklamiert. [. . .] Um 4 Uhr 5 Minuten wurde der Aufstand auch in Melilla, Tetuán und Ceuta ausgerufen. Es kam zu heftigen Kämpfen.“

Es ist der Beginn des Spanischen Bürgerkriegs, den die „Neue Freie Presse“ am 18. Juli 1936 beschreibt. Die Kämpfe werden bald das europäische Festland erreichen, bis 1939 rund 800.000 Menschen in den Tod reißen und den europäischen Mächten als Generalprobe des Zweiten Weltkriegs dienen. Zum Auslöser stilisiert wurden zwei Morde: Erst töteten extreme Rechte einen republikanischen Leutnant, dann rächten sich militante Linke mit der Ermordung des Monarchistenführers José Calvo Sotelo. Es war ein Schlag für die seit 1931 bestehende Republik, die von Beginn weg auf tönernen Füßen stand. Die Volksfrontregierung, die sich aus Sozialisten, Kommunisten und Anarchisten zusammensetzte, wurde der Wirtschaftskrise nicht Herr, was radikalen Parteien Zulauf verschaffte.

Unzufriedene Arbeiter, um ihre Privilegien fürchtende Eliten, nach Emanzipation strebende Basken sowie ein unstetes Militär: Das ist das Chaos, das die Verschwörer ausnutzen wollen. Rasch ist der Plan geschmiedet, die Umsetzung folgt in der Nacht auf den 17. Juli 1936: Konservativ-faschistische Offiziere beginnen in Spanisch-Marokko zu rebellieren. An ihrer Spitze steht der erst 34-jährige Generalmajor Francisco Franco, der ihnen zuruft: „Spanier, die ihr den heiligen Namen Spaniens spürt und empfindet, euch ruft die ganze Nation! Die Einheit des Vaterlandes ist bedroht.“

Während die in Nordafrika stationierten spanischen Truppen Franco fast geschlossen folgen, stoßen die Putschisten auf dem Festland, wo die Mitverschwörer Emilio Mola und Gonzalo Queipo de Llano kommandieren, auf heftigen Widerstand. Arbeiter und Gewerkschafter stellen sich ihnen in den Weg, ein Großteil der Generalität, der Marine, die Hälfte der Luftwaffe. Die Kommunisten leisten erbitterte Gegenwehr, am deutlichsten wohl Dolores Ibárruri, die wenige Stunden nach dem Putsch über Radio Madrid ausruft, es sei besser, auf den Füßen zu sterben, als auf Knien zu leben. „¡No pasarán!“, „Sie werden nicht durchkommen.“

Bande zu Hitler und Mussolini.
Der antiliberal gesinnte Franco lässt sich davon nicht beirren. Doch erkennt er, dass für den Sieg Hilfe nötig ist – von Deutschland und Italien, wo Adolf Hitler und Benito Mussolini gerade dabei sind, ihre Macht auch international zu zementieren. Nach einem Bittbrief und der Sendung zweier Emissäre nach Berlin sagt Hitler Unterstützung zu: Am 28. Juli 1936 landen deutsche Transportflugzeuge in Marokko und bilden die erste Luftbrücke der Militärgeschichte (Unternehmen Feuerzauber). Bald darauf sagt auch Mussolini seine Mithilfe zu, ebenso wie Portugal und Irland.

Binnen weniger Wochen werden mehr als 10.000 Soldaten nach Spanien ausgeflogen, das bald von Kämpfenden und brutal Getöteten übersät ist. Im Nachhinein werden die Opferzahlen weit auseinandergehen: In der nationalistischen Zone werden sie auf 75.000 bis 200.000 Tote geschätzt, in der republikanischen auf 35.000 bis 65.000.

Der Bürgerkrieg wird zum militärischen Experimentierfeld: Bei der Errichtung einer Propagandastelle helfen die Deutschen ebenso wie beim Bau eines Konzentrationslagers in Miranda de Ebro – zwei Kernelemente des nahenden Zweiten Weltkrieges. Und Hitler probiert die deutsche Luftwaffe aus, ohne offiziell Krieg zu führen: Während sich die meisten Europäer, allen voran Großbritannien und Frankreich, neutral verhalten, lässt er die offiziell nur aus Freiwilligen bestehende Einheit Legion Condor gründen. Gemeinsam mit italienischen Kampffliegern nimmt sie etliche spanische Städte ins Visier. In ihre Verantwortung fallen unter anderem das Massaker von Málaga und die dreistündige Bombardierung und fast vollständige Zerstörung von Guernica, der religiösen Hauptstadt des Baskenlandes. Es sind Angriffe, aus denen ein nationales Trauma werden wird, das Pablo Picassos Bild „Guernica“, das den qualvollen Tod von Mensch und Tier zeigt, bis heute lebendig hält.

Die Sowjetunion zögert.
NS-Propagandaminister Joseph Goebbels hält zum deutschen Engagement lapidar in seinem Tagebuch fest: „Wir beteiligen uns so ein bisschen in Spanien. Nicht sichtbar. Wer weiß, wozu es gut ist.“ Die republikanische Seite muss länger auf Hilfe warten. Nur zögerlich lässt sich die Sowjetunion darauf ein. Erst am 3. August 1936 wird die Gründung einer internationalen Brigade beschlossen – im Verlauf des Kriegs dienen hier an die 40.000 Freiwillige aus über 60 Ländern; unter ihnen ist auch der Österreicher Hans Landauer, der mit 16 Jahren auszog, um sich als einer der Jüngsten Francos Truppen entgegenzustellen. Ihm und den übrigen Spanien-Kämpfern schickt Moskau auch Waffen und schweres Gerät, was den Mangel an Kampferfahrung mancher Soldaten aber nur bedingt wettmachen kann. Die Internationalität der Kämpfer birgt auch Gefahren, wie die Republikaner im Mai 1937 erfahren: In einem Bürgerkrieg im Bürgerkrieg greifen Kreml-treue Kommunisten und (Rechts-)Sozialisten gegen Teile der Anarchosyndikalisten und Linksmarxisten an.

Am 1. Oktober 1936 wird Franco von den aufständischen Generälen zum Generalísimo und Caudillo (Führer) erkoren und herrscht fortan über die von den Putschisten eroberten Gebiete im Westen und Norden Spaniens. Im November erkennen das Deutsche Reich und Italien seine Regierung an. Obgleich die Kämpfe noch toben, schickt sich Franco an, einen faschistischen Staatsapparat zu entwerfen: ein Falange-Nationalrat wird etabliert, der Römische Gruß und die Cortes Españolas, eine Art Ständeparlament, werden eingeführt. Selbst die Kirche weiß er für sich zu instrumentalisieren, indem er den Kampf um Spanien an die mittelalterliche Reconquista anlehnt und als Rückeroberungskampf etikettiert.

Am 14. April 1938 gelingt den Nationalisten der Durchbruch zum Mittelmeer, im Juli antwortet die Regierung, die aus Madrid über Valencia nach Barcelona geflohen ist, mit einer Großoffensive: Die Ebroschlacht dauert bis November und geht als Misserfolg der Republik in die Annalen ein, der den Ausgang des Krieges prophezeit. In der Tat fehlen Franco zum Sieg nur wenige Monate: Als am 26. Jänner 1939 die so wichtige Stadt Barcelona fällt, bricht der republikanische Widerstand weitgehend zusammen. Nur Madrid ist noch zu bezwingen – was Franco im dritten Anlauf, am 28. März, gelingt. Tags darauf geben die Truppen in Valencia auf. Am 1. April 1939 verkündet Francisco Franco seinen Triumph: „Die rote Armee ist entwaffnet und besiegt. Der Krieg ist beendet.“

Historiker sind sich einig, dass der Bürgerkrieg auf der iberischen Halbinsel mehr war als das Machtstreben eines Einzelnen. Es war ein Aufeinandertreffen von Faschismus und Bolschewismus, ein europäischer Stellvertreterkrieg, der ohne deutsch-italienische Hilfe und das abklingende Engagement Stalins wohl nie zugunsten Francos geendet hätte: Einem Diktator, der den Spaniern Terror und Verbrechen brachte, noch 36 Jahre lang.

Spanischer Bürgerkrieg

Francisco Franco zählt zu den Drahtziehern des Putschs vom 17. Juli 1936, der sich gegen Spaniens gewählte Regierung der Volksfront richtete. Aus der Rebellion wurde ein vier Jahre dauernder Bürgerkrieg, in dessen Verlauf bis zu 800.000 Menschen starben.

Da zahlreiche Mächte im Spanischen Bürgerkrieg mitmischten, sprechen Historiker oftmals von einer Generalprobe des Zweiten Weltkriegs. Als bemerkenswert gilt auch die weltweite antifaschistische Solidarität. Exemplarisch dafür waren die Internationalen Brigaden, in deren Reihen auch 1380 Österreicher kämpften.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2016)

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