Ein glänzender Seesieg – aber alles vergebens

Ein glänzender Seesieg – aber alles vergebens
Ein glänzender Seesieg – aber alles vergebensWikipedia/Peter Geymayer Von Josef Kriehuber - Eigenes Foto einer Originallithographie aus eigenem Besitz, Sammlung
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Wilhelm Tegetthoff. Am 20.Juli 1866 errang „Österreichs Nelson“ vor der Insel Lissa die höchsten Meriten.

Es sollte einer der ganz wenigen Siege des Kaisers Franz Joseph in einer Schlacht sein. Paradoxerweise zur See. Österreichs Marine war 1866 der italienischen hoffnungslos unterlegen, mangelhaft ausgerüstet, veraltet, mit lächerlichen Bordkanonen bestückt. Die bestellten und bereits bezahlten Kanonen der Firma Krupp waren von den Preußen aus politischen Gründen nicht ausgeliefert worden.

Italien brauchte in seiner nationalistischen Einigungseuphorie einen Sieg, koste er, was es wolle. Und Österreich strebte noch dringlicher einen Triumph an, um die katastrophale Niederlage zu Königgrätz gegen die Preußen (3.Juli 1866) zu verdauen.

Italien, mit Preußen verbündet, nahm sich die Insel Lissa südwestlich von Split (damals Spalato) als Ziel, um von hier aus die Adria kontrollieren zu können. Ein armseliger Steinhaufen, besetzt und verteidigt von etwa 1600 Österreichern.

17.Juli 1866: Schon nahte die italienische Flotte unter dem Befehl des schlachterprobten Admirals Carlo Graf Persano: Elf Panzerschiffe modernster Bauart, Fregatten, Korvetten, Kanonenboote. Die österreichische Garnison auf der Insel befand sich in Todesgefahr. Und ein Seekrieg gegen Italien erschien erst recht wie glatter Selbstmord.

Auftritt des österreichischen Admirals Wilhelm von Tegetthoff, der seit Jahr und Tag vom Marinekommando im österreichischen Kriegshafen Pola/Pula aus die Aufrüstung der veralteten Marine betrieb. Mit einer Leidenschaft, die in Wien nicht gern gesehen wurde. Denn Geld war wie immer rar.

Geben wir dem Kommandanten der Radetzky, Max Baron von Sterneck, das Wort, der in seinem Tagebuch die Schlacht und die grausamen Menschenverluste schilderte: „Die hölzernen Vordersteven wurden mit Eisenbahnschienen gepanzert, ebenso der Rammsporn. Wir mussten unser Heil im Nahkampf suchen. [...] Damit die modernen italienischen Granaten nicht mir nichts dir nichts durch unsere hölzernen Schiffkörper durchschlagen konnten, kam Tegetthoff auf die Idee, Ankerketten zusammenzuschweißen und zwischen den Stückpforten herunterhängen zu lassen. [...] Man fühlte sich doch etwas besser, wenn die feindliche Kugel als erstes auf einen dicken Mantel von eisernen Ketten traf, bevor sie Gelegenheit hatte, in die hölzerne Schiffwand einzudringen.“ „Am Abend vor der Schlacht schwor der Admiral uns Kommandeure nochmals ein: ,Durch wildeste Entschlossenheit werden wir siegreich sein. In hölzernen Schiffen schlagen eiserne Herzen, Österreichische Herzen!‘“

Mit seinem Flaggenbefehl „Muss Sieg von Lissa werden“ ließ Tegetthoff am 20.Juli 1866 angreifen. Die Taktik gemahnte an mittelalterliche Turniere: Sein persönlich befehligtes Flaggschiff Ferdinand Max rammte tollkühn das Panzerschiff Re d'Italia, auf dem Admiral Persano vermutet wurde. Dieser hatte aber zuvor das Schiff gewechselt. Binnen weniger Minuten sank das hochmoderne Schiff, Italiens ganzer Stolz, 390 Mann Besatzung ertranken.

Das von den Österreichern in Brand geschossene Panzerschiff Palestro explodierte später, mehrere andere italienische Schiffe, aber auch einige österreichische wurden schwer beschädigt. Sterneck schildert unpathetisch das grausame Gemetzel. Die Italiener hatten nach der über zehnstündigen Schlacht 612 Tote, die Österreicher nur 38Opfer zu beklagen.

Ein glänzender Sieg, eine verrückt anmutende Aktion, eine wahre Sensation – doch was war es wert? Nach der Niederlage bei Königgrätz eigentlich gar nichts. Schlimmer noch als der Verlust Venetiens an Italien war die Auflösung des Deutschen Bunds und damit das Ausscheiden Österreichs aus der gesamtdeutschen Geschichte. Nun war Bismarcks Preußen die bestimmende Kraft in Deutschland. Innenpolitisch sah sich Franz Joseph derart geschwächt, dass er 1867 dem „Ausgleich“ mit Ungarn widerwillig zustimmen musste. Zwei getrennte Reichsteile, zusammengehalten nur noch durch die Person des Kaisers (und ungarischen Königs).

Tegetthoff wurde 1868 zum Marinekommandanten und Chef der Marinesektion des Reichskriegsministeriums ernannt, kämpfte wie ein Löwe mit der Wiener Bürokratie um ein höheres Marinebudget und eine Reform der Kriegsmarine. Erschöpft und enttäuscht starb er 1871 – 44-jährig. (hws)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2016)

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