Andrea Doria: Als der Stolz der italienischen Kreuzfahrtflotte sank

Die letzte Fahrt eines Luxusliners
Die letzte Fahrt eines Luxusliners(c) imago stock&people (imago stock&people)
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Vor 60 Jahren sank die "Andrea Doria“ nach einer Kollision mit einem schwedischen Schiff. 51 Menschen wurden getötet. Der Kapitän wollte mit seinem Schiff untergehen.

Die Bordkapelle spielte gerade „Arrivederci Roma“, als es krachte. Tanzpaare wurden zu Boden geschleudert, ebenso wie in den Kabinen Schlafende aus ihren Betten. Um 23:10 Uhr am 25. Juli 1956 kollidierten der italienische Luxusliner „Andrea Doria“ und der schwedische Passagierdampfer „Stockholm“. 51 Menschen kamen bei der Katastrophe ums Leben.

Dass ausgerechnet die „Andrea Doria“ Schauplatz einer Tragödie werden könnte, hätte zu Beginn der Transatlantikfahrt am 17. Juli in Genua niemand erwartet. Mit ihrem doppelwandigen und mit wasserdichten Schotten in elf Abteilungen unterteilten Rumpf galt der Stolz der italienischen Kreuzfahrtflotte als eines der modernsten und sichersten Schiffe.

Am Abend des 25. Juli wird an Bord Abschied gefeiert. Am folgenden Tag soll das Schiff mit seinen 1706 Passagieren und Crewmitgliedern den Zielhafen New York erreichen. Die Koffer sind gepackt, viele Passagiere gehen früh zu Bett.

Fatale Irrtümer

Die „Andrea Doria“ fährt vor der Küste von Massachusetts durch dichten Nebel, als das Radar in etwa 17 Seemeilen Entfernung ein Schiff ortet. Die „Stockholm“ fährt in umgekehrter Richtung mit Kurs auf das schwedische Göteburg. Kapitän Piero Calamai hält das Schiff mit seinen 747 Passagieren für ein kleines Fischerboot und entschließt sich entgegen üblichen Regeln zu einem Ausweichmanöver nach links. Die Geschwindigkeit lässt er nur geringfügig verringern. Auf der Stockholm ist die Sicht derweil noch gut. Als dort der Dritte Offizier Johan-Ernst Carstens-Johanssen die „Andrea Doria“ auf dem Radar wahrnimmt, schließt er irrtümlicherweise, dass sie an Backbord entgegenkommt.

Als die „Andrea Doria“ aus den dichten Nebelschwaden auftaucht, ist es zu spät, die letzten Ausweichmanöver „Hart Steuerbord!“ und „Hart Backbord!“ nützen nichts mehr. Der Bug der „Stockholm“ schlitzt den Rumpf der „Andrea Doria“ auf und bohrt sich mitten durch Kabinen. 46 Menschen an Bord der „Andrea Doria“ und fünf Crewmitglieder der „Stockholm“ wurden getötet. Die vierzehn-jährige Linda Morgan, die zum Zeitpunkt der Kollision in ihrer Kabine auf der „Andrea Doria“ geschlafen hat, wacht – wie durch ein Wunder nur leicht verletzt - am Bug der Stockholm auf.

"Menschen weinten, beteten und sangen"

Während die Schäden auf der „Stockholm“ nicht bedrohlich sind, wird Kapitän Calamai auf der „Andrea Doria“ schnell klar, dass sein Schiff sinken wird. Binnen Minuten bekommt es starke Schlagseite. Der Großteil der Rettungsboote kann deshalb nicht zu Wasser gelassen werden. Die Situation an Bord ist chaotisch. „Man hörte Menschen weinen, beten und singen, um sich abzulenken. Die Decks waren überfüllt und Menschen rannten gegeneinander“, erzählt die damals 25-jährige Joan Dier nach ihrer Rettung. Einige Crewmitglieder ignorieren die Befehle des Kapitäns und retten sich vor den Passagieren. „Ich wartete auf Anweisungen, irgendeine Art von Anweisung – nichts kam. Niemand schien irgendetwas zu wissen“, schildert die Überlebende Kathy Kerbow.

Die größte zivile Rettungsaktionen der Schifffahrtsgeschichte läuft an. 30 Boote und Schiffe, darunter der französische Luxusliner „Ile de France“, reagieren auf den Notruf und retten die Überlebenden der „Andrea Doria“. Auch die „Stockholm“ nimmt Hunderte Passagiere auf. Kapitän Calamai stellt sich darauf ein, mit seinem Schiff unterzugehen. „Wenn Sie gerettet werden, können Sie vielleicht meine Familie in Genua aufsuchen und ihr sagen, dass ich getan habe, was ich konnte“, sagt er zu einem Crewmitglied. Seine Offiziere können ihn schließlich überreden, doch als letzter die „Andrea Doria“ zu verlassen. Kurz nach 10 Uhr des 26. Juli versinkt sie im Atlantischen Ozean.

Über die Schuldfrage an dem Zusammenstoß wird lange gestritten. Ein Prozess zwischen den beteiligten Reedereien endet mit einem Vergleich.

Die Toten vom 25. Juli 1956 sollten indes nicht die letzten Opfer der „Andrea Doria“ bleiben. Schon einen Tag nach dem Untergang fotografierten zwei Taucher das in 70 Meter Tiefe liegende Wrack. Bis heute zieht es – nicht zuletzt wegen dort vermuteter Kostbarkeiten - Abenteurer aus aller Welt an. Mindestens 16 davon starben in und um den „Mount Everest des Tauchens“.

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