93-jähriger Ex-Jagdpilot flog noch einmal mit einer "Spitfire"

General Emil Boček in der Spitfire
General Emil Boček in der Spitfireimago/CTK
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Emil Boček, einer der letzten Überlebenden der tschechischen Staffeln der Royal Air Force im Zweiten Weltkrieg, ging in England noch einmal auf Rundflug. Die Tschechen galten seinerzeit als aggressive Kampfpiloten.

Im gesegneten Alter von 93 Jahren ist ein Weltkriegs-Veteran aus Tschechien nahe London noch einmal mit einem britischen Jagdflugzeug des Typs "Spitfire" geflogen. "Ich kann zwar keine Luftakrobatik mehr vorführen, aber wie man fliegt, das habe ich nicht verlernt", sagte Emil Boček, der in der Luft eine Zeit lang auch den Steuerknüppel der zweisitzigen Propellermaschine übernehmen durfte - übrigens einer absoluten Seltenheit, siehe ganz unten.

Der 20-minütige Rundflug endete am Donnerstag auf dem Flughafen Biggin Hill in der Grafschaft Kent. "Es war wunderbar nach all den Jahren", sagte der 1923 in Brünn geborene Boček der Agentur CTK.

Boček war 1939 - da war die Tschechoslowakei bereits zerschlagen und mit Ausnahme des faschistischen slowakischen Staates von Deutschland, Polen und Ungarn besetzt - geflohen. Er schlug sich, so vermerkt es sein publizierter Lebenslauf, ans Mittelmeer und bis Beirut durch, schloss sich dort französischen Truppen an und kämpfte 1940 in Frankreich gegen die deutsche Invasion.

Ab 1940 in der RAF

Angesichts der Niederlage gegen Deutschland gelang ihm im Sommer 1940 die Überfahrt nach England, wo er sich der Royal Air Force als Mechaniker andiente und vorerst in der 312. Jagdstaffel diente, einer von später insgesamt vier Staffeln, die vornehmlich aus tschechischen Exilanten zusammengesetzt war.

1943 kam er nach Kanada, wurde zum Jagdpilot ausgebildet und nahm als solcher ab Herbst 1944 für die RAF am Krieg in Europa teil, diesfalls in No. 310 Squadron RAF, ebenfalls einer "Tschechenstaffel". Bis Kriegsende kam Boček auf 26 Kampfeinsätze, wobei von Abschüssen seinerseits indes nichts erwähnt wird. Die 310. Staffel flog zu Bočeks Einsatzzeit dort mit Spitfires des Subtyps Mk IX und war zeitweise zur Heimatverteidigung, zeitweise auch auf dem Kontinent eingesetzt, etwa für Aufklärungs- und Erdkampfeinsätze in den Niederlanden und bei der Überquerung des Rheins in Norddeutschland im März 1945.

1946 verließ Boček die RAF und betrieb zunächst ein Motorradgeschäft in Tschechien, später arbeitete er unter anderem als Mechaniker für das Forschungsinstitut der Tschechischen Akademie der Wissenschaften und in den 1980ern für die Firma Drukov in Brünn, einen Hersteller etwa von Druck- und Transportbehältern.

Karriere als Mechaniker bis hinauf zum General

Während der KP-Herrschaft von 1948 bis 1989 hatte man von offizieller Seite die Teilnahme tschechischer und slowakischer Piloten und Soldaten an der Seite der Westalliierten unter den Teppich gekehrt. Danach indes begann die Aufarbeitung dieser Geschichten, und so wurde Boček, der heute noch immer in Brünn wohnt, 1990 ehrenhalber zum Hauptmann, später zum Major und 2014 vom Präsidenten sogar zum Brigadegeneral ernannt.

Der 93Jährige in Generalsuniform
Der 93Jährige in Generalsuniformimago/CTK Photo

Die Tschechen hatten um den Flug ihres Ehren-Generals einen ziemlichen Wirbel gemacht, so war der 93Jährige mit einem Transportflugzeug der Luftwaffe nach England geflogen und unter anderem vom Erzbischof von Prag, Dominik Duka, begleitet worden. Dukas Vater diente im Zweiten Weltkrieg ebenfalls in der RAF.

Die "Fremdenlegion" der königlichen Luftwaffe

Mehr als 300 tschechoslowakische Piloten (meist Jagdpiloten) waren bei den Einsätzen im Rahmen der RAF insgesamt ums Leben gekommen. Die britische Luftwaffe war im Zweiten Weltkrieg überhaupt Anziehungspunkt für Mechaniker, Bodenpersonal und vor allem Piloten aus vielen Ländern Europas, vor allem aus jenen, die von Deutschen oder Italienern besetzt waren.

Piloten der No. 312 Squadron der Tschechen in der RAF
Piloten der No. 312 Squadron der Tschechen in der RAFImperial War Museum

Die Gesamtzahl ist schwer feststellbar - aber allein für die so intensive wie legendäre Luftschlacht um England ("Battle of Britain"), die im Kern von Juli bis Ende Oktober 1940 dauerte und, in Nachwehen, stark abgeschwächt bis Frühjahr 1941, sind in der Ehrenrolle der RAF 574 Ausländer verzeichnet: davon etwa 145 Polen, 135 Neuseeländer und 84 (nach anderen Angaben 88) Tschechoslowaken. Zum Vergleich: Im Kernzeitraum der Battle of Britain sollen etwa 2300 genuin britische Piloten zum Einsatz gekommen sein.

Vor allem die Polen und Tschechen galten in der RAF als fliegerisch extrem aggressiv bis hin zu schwer beherrschbar. Sie kämpften hervorragend, bisweilen aber auch unüberlegt, und hatten generell gewisse Probleme mit der Disziplin. Tschechen und Polen flogen in ihren Jagdstaffeln bis 1941 in der Regel Jäger vom Typ Hawker "Hurricane", danach Spitfires verschiedenster Varianten.

Ein legendäres Kampfflugzeug

Die Spitfire war einer der besten Jäger des Krieges und vor allem den anfangs bei den Deutschen vorherrschenden Jagdfliegern "Bf 109" von Messerschmitt in der Regel leicht überlegen. Sie war etwas wendiger und in niedrigeren Höhen motorisch überlegen, ihre Waffenleistung war zur Zeit der Battle of Britain aber oft etwas schwächer als jene der Bf 109 und es gab bei bestimmten Manövern, speziell bei der Einleitung eines Sturzflugs, Probleme mit der Benzinansaugung des Vergasermotors.

Im Lauf der Jahre wurden die Spitfire und die Bf 109 weiter entwickelt, insgesamt hielten sich beider Qualitäten in etwa die Waage, spätere Versionen der Spitfire (ab der Mk IX, 1942/43) hielten auch dem deutschen Jäger "Fw 190" (genannt "Würger") von Focke-Wulf stand.

Von 1938 bis 1948 stellte der Erzeuger Supermarine mit Sitz in Southampton rund 20.300 Stück in zahlreichen Varianten her, darunter als "Seafire" für Flugzeugträger. Spitfires kamen noch nach 1945 zum Kriegseinsatz, etwa in Nahost (1948) und Korea (1950-53). In der Urversion war sie mit acht Maschinengewehren bewaffnet, später gab es auch hier diverse Kombinationen von MGs und schwereren Maschinenkanonen (meist Kaliber 20 Millimeter), die Version Spitfire Mk IX etwa hatte meist vier MG und zwei Maschinenkanonen.

Spitfires Mk IXB, Ende 1942 über Kent
Spitfires Mk IXB, Ende 1942 über KentRAF

Die Spitfire war übrigens ein Einsitzer, Supermarine soll bis 1945 nur einen einzigen Zweisitzer als Trainer gebaut haben, die "T Mk VIII", aber sie ging nicht in Serie, somit fragt man sich, wieso Boček in einem Zweisitzer mitfliegen konnte. Nun, ganz selten waren im Krieg vereinzelt Spitfires zu Zweisitzern umgebaut worden, etwa eine der südafrikanischen Luftwaffe während des Kriegs in Nordafrika, sowie einige wenige, die die Briten an die UdSSR geliefert hatten.

Rekonstruktion einer Flugzeuggeschichte

Diese Flieger kommen nun aber nicht in Frage. Nach 1945 aber hat Supermarine (die Firma sperrte 1960 zu) aufgrund einer gewissen Nachfrage auch aus anderen Ländern doch einige zweisitzige Trainer gebaut, indem alte Mk IX ein zweites, erhöhtes "Bubble"-Kanzeldach hinter dem eigentlichen Pilotencockpit verpasst bekamen. Unter anderen gingen zehn Stück davon an Indien, sechs nach Irland, drei nach Holland, eine nach Ägypten.

Fast wie damals...
Fast wie damals...RAF/CTK

Einige von diesen Trainer-Exoten gibt es noch, und nicht nur in Museen: So ist die besagte Spitfire Bočeks eine vom Modell Tr.9 MJ627, die über Irland ging, und wie die "Presse" dankenswerterweise mit Hilfe von Georg Mader, einem Luftfahrtexperten von "Jane's Defence", feststellen konnte, war die Sache simpel gesagt so:

Die besagte Spitfire MJ627 wurde im Herbst 1943 gebaut und im November an eine Ausbildungseinheit in Cosford nahe Birmingham ausgeliefert, wo sie länger im Lager stand. MJ627 wurde demnach erst im September 1944 an die 441 Squadron ausgeliefert, das war eine kanadische Einheit im Rahmen der RAF, die nach dem Krieg bis 2006 in der königlich kanadischen Luftwaffe bestand.

Am 27. September 1944 Pilot soll ein Pilot Officer (der niedrigste Pilotendienstgrad) namens Bregman mit dem Flieger abgehoben sein, um im Raum Arnheim (Holland) zu patrouillieren, dort kam es zu Luftkämpfen und Bregman schoss ein deutsches Flugzeug ab. Später wurde die Maschine unter anderem als Begleiter für Bomber gegen den Raum Paris und Köln eingesetzt. Ende 1944 war besagte Spitfire auf den Orkney Islands nördlich von Schottland stationiert und erlitt im März 1945 während einer Routinepatrouille Motorprobleme. Folge: eine Notlandung in einer Heide mit beträchtlichen Beschädigungen.

1950 wurde der Flieger an die Rüstungsfirma Vickers Armstrong übergeben, zu einem T9 Trainer umgebaut und 1951 an das Irish Air Corps verkauft. Dort wurde sie am 20. April 1960 ausgemustert. Später sah es so aus, als würde sie für Kriegsfilmaufnahmen benutzt werden, aber man schlachtete sie für Ersatzteile aus, bis sie 1964 in Privatbesitz eines gewissen Tim Davies überging und danach neue Besitzer fand, es führte hier zu weit.

Anfang der 1990er war sie in England fertig restauriert worden und hatte in der Folge ein bewegtes Leben, unter anderem in Hangars neben "Vulcan"-Bombern, 1998 gab es in Coventry eine harte Landung, immerhin fand sie auf einer Wiese statt, der Schaden war begrenzt und die beiden Insassen blieben unverletzt. Über Zwischenstationen fand sie zu einer Firma namens "R. V. Aviation" am Biggin-Hill-Flugfeld. Nun ja, alles ist natürlich sehr kompliziert. ;-)

Siehe auch die schöne Flugzeuggeschichte unter:

http://www.waddingtonflyingclub.com/mj627_history.html

Boček vorne in einer der seltenen zweisitzigen Spitfires
Boček vorne in einer der seltenen zweisitzigen Spitfiresimago/CTK Photo

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