Wenn dich der Fingerabdruck verrät

Fingerabdrücke überführen seit 125 Jahren Täter.
Fingerabdrücke überführen seit 125 Jahren Täter.(c) Bilderbox
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Kein Fingerabdruck gleicht dem anderen. Als sich diese Erkenntnis vor 125 Jahren durchsetzt, wird die Kriminalistik in der Folge weltweit umgekrempelt.

1891 wird der nach Argentinien ausgewanderte Kroate Ivan Vucetic, Leiter der Statistikabteilung der Landespolizei in La Plata, mit Studien zur Täteridentifikation beauftragt. Dabei kommt er zu einer Erkenntnis, die die Kriminalistik weltweit umkrempeln soll. Seine These: Kein Fingerabdruck gleicht dem anderen.

Dennoch soll noch ein Jahr vergehen, ehe die Polizei im Juni 1892 im argentinischen Ort Necochea einen grausigen Fund macht: Ein sechsjähriger Bub und seine vierjährige Schwester werden ermordet aufgefunden. Die verstörte Mutter, die 27-jährige Francisca Rojas, hat Schnitte am Hals. Ihr Nachbar habe die Tat begangen, sagt die Frau. Doch der Mann hat ein wasserdichtes Alibi. Wer war also der Täter?

Bis dahin wäre Aussage gegen Aussage gestanden, doch der zuständige Inspektor findet am Tatort einen eingetrockneten Fleck Blut, in dem sich ein Fingerabdruck erhalten hat. Der Polizist wendet sich an Vucetic und lässt die Fingerabdrücke der Mutter mit dem Abdruck im Blutfleck vergleichen. Mit dem Ergebnis konfrontiert gesteht die Frau, ihre Kinder getötet und sich selbst die Wunden am Hals zugefügt zu haben. Erstmals ist es gelungen, einen Mörder - in diesem Fall eine Mörderin - anhand der Fingerabdrücke zu überführen.

Fingerabdrücke, um Verträge zu besiegeln

Argentinien ist in der Folge das erste Land weltweit, das dieses Identifizierungsverfahren einführt. Vucetic etwickelt 1896 ein eigenes Klassifizierungssystem, das ab 1905 auch in ganz Südamerika angewendet wird.

Doch die Geschichte des Fingeradruckverfahrens, der Daktyloskopie ("Daktylos" bedeutet "Finger"), reicht viel weiter zurück. Bereits 900 Jahre vor Christus nutzen in China und Japan Geschäftspartner Fingerabdrücke, um damit Verträge und Urkunden zu besiegeln. 1860 kommt dann der britische Kolonialbeamte William James Herschel in Bengalen auf die Idee, Fingerabdrücke zu verwenden, um Pensionsbetrug durch Mehrfachauszahlungen zu verhindern. Aber erst der in Schottland lebende Arzt Henry Faulds schlägt 1880 vor, Fingerabdrücke zur Identifizierung von Personen zu verwenden. Er weist auf die Möglichkeit hin, Täter durch am Tatort hinterlassene Fingerabdrücke überführen zu können. Er verfasst eine Anleitung zur Fingerabdruckabnahme.

Der Anthropologe Francis Galton kommt nur wenig später zu der Erkenntnis, dass sich die Abdrücke ein Leben lang nicht verändern. Es gelingt ihm erstmals in Europa, ein Klassifizierungssystem zu entwickeln. 1892 fasst er seine Ergebnisse in dem Buch "Fingerprints" zusammen. Das Werk wird zur ersten Grundlage der modernen Daktyloskopie.

Herschel, Faulds und Galton legen damit auch die Basis für die Arbeit des späteren Direktors von Scotland Yard, Edward Richard Henry. Als Mitglied eines Ausschusses, der von der britischen Regierung beauftragt wird festzustellen, ob Fingerabdrücke als Beweis für eine Straftat taugen, entwickelt er ein System zur Mustererkennung von Fingerabdrücken. Dieses wird als "Henry-System" bekannt und verbreitet sich von England aus nach ganz Europa. Die Abnahme der Fingerabdrücke erfolgt dabei so, wie man es aus unzähligen Filmen kennt. Man nimmt den Finger, drückt ihn auf ein Stempelkissen und rollt ihn schließlich über eine weiße Fingerabdruck-Karte ab.

"Mittel zur sozialen Kontrolle"

1902 wird die Daktyloskopie auch in Österreich eingeführt. Die österreichische "Arbeiter Zeitung" schreibt in diesem Jahr über zwei Gewerkschafter, die während einer Streikdemonstration verhaftet und anschließend von den Polizeibeamten erkennungsdienstlich erfasst wurden. "Hier erlauben sich Polizisten, Arbeiter, die um ihr Recht kämpfen, gleich gemeinen Verbrechern zu behandeln, sie durch Körpermessung zu schänden, sie zu brutalisieren!" Die Empörung ist groß, die Messkarten werden vernichtet.

Denn nicht wenige Kriminalisten träumen bei Einführung der Daktyloskopie um 1900 davon, "die gesamte Bevölkerung zu registrieren und ihre Fingerabdrücke zu speichern", wie Daniel Messner im Magazin "IFK now" schreibt. Tatsächlich werden gleich nach der Einführung des Fingerabdruckverfahrens in Wien 1902 rund 30.000 Personen "daktyloskopiert" - Straftäter und Asylsuchende. Doch sollen auch Verdächtige erkennungsdienstlich behandelt werden? Die Regierung rechnete mit Widerstand aus der Bevölkerung: "Der Fingerabdruck galt als Mittel zur sozialen Kontrolle von gesellschaftlichen Randgruppen", so Messner. "Eine Ausweitung wurde als Aufhebung der Unschuldsvermutung interpretiert." Was also "für das Verbrechermileu als angemessen schien, war für die Allgemeinheit unpassend".

Die digitale Revolution

1991 wird schließlich das Automatisierte Fingerabdruck-Identifizierungs-System (Afis) in Österreich eingeführt. Seitdem können in Minutenschnelle Abdrücke mit gespeicherten verglichen werden. Mit Stand Ende 2015 waren darin rund 940.000 Zehnfingerabdrücke erfasst. Zu den Zehnfingerabdrücken kommen noch rund 90.000 daktyloskopische Spuren, die an Tatorten sichergestellt wurden.

Wird eine Person erkennungsdienstlich behandelt, können die Daten übrigens je nach Rechtslage sowohl amtswegig - beispielsweise wenn sich ein Verdacht als falsch herausstellt - als auch auf Antrag der Betroffenen gelöscht werden. Das genaue Vorgehen regelt das Sicherheitspolizeigesetz (SPG). Im Regelfall werden Fingerabdrücke von Straftätern, die zum Zeitpunkt der Erfassung älter als 14 Jahre sind, bis zum 80 Lebensjahr gespeichert. Dann werden sie automatisch gelöscht.

Wie werden Fingerabdrücke gesichert?

Für daktyloskopische Spuren gibt es die unterschiedlichsten Sicherungsmethoden. So kommen beispielsweise Rußpulver, Argentorat und Magna Brush (Spurensicherungspulver mit kleinsten Eisenspänen) mit verschiedenen Pinseln direkt am Tatort zum Einsatz.

Außerdem gibt es komplizierte chemische Verfahren im Labor, hier wird etwa auch mit Hochvakuumbedampfung gearbeitet. Damit können auch latente, also nicht sofort sichtbare Spuren erfasst werden. "Prinzipiell können Fingerabdrücke mit der richtigen Methode von fast jedem Material gesichert werden", sagt Vincenz Kriegs-Au, Sprecher des Bundeskriminalamtes.

(phu/APA)

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