Franz von Papen: Er half Hitler in die Steigbügel

Reichskabinett Adolf Hitler, rechts Franz von Papen
Reichskabinett Adolf Hitler, rechts Franz von Papen(c) Bundesarchiv
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Der adelige Katholik versetzte der Weimarer Republik den Todesstoß. Der verachtete Emporkömmling Adolf Hitler benützte den Herrenreiter für seine Zwecke.

Wie sehr lässt sich ein Mann demütigen, der politisch unbedingt weiter eine Rolle spielen will? Wie rasch kann ein solcher Politiker die unglaublichen Verwundungen wegstecken, die ihm der politische Gegner zugefügt hat? Reiner Möckelmanns Biografie über den bösen Geist der sterbenden Weimarer Republik gewährt uns darüber erschreckende Einblicke.

Franz von Papen (1879–1969), „Erbsälzer“ zu Werl und Neuwerk, spielt in der unübersichtlichen Literatur über die NS-Ära eine zu wenig beachtete Rolle. Ohne ihn hätte es keinen Reichskanzler Hitler gegeben – zumindest nicht schon 1933. Papen, der Ehrgeizige, selbst als Kanzler zuvor gescheitert, besaß das unbegrenzte Vertrauen des alten Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Und das nutzte von Papen mit unfassbarer Leichtfertigkeit aus, indem er den braunen Agitator mit seiner immer stärker werdenden Massenbewegung als Regierungschef empfahl. Er werde ihn als Vizekanzler schon an die Kandare nehmen, war sich der alte Kavallerist sicher. Eine Fehleinschätzung der Dynamik, die Hitler entwickelte. Innerhalb eines halben Jahres war von Papen der Vasall und Hitler sein unumschränkter Herr.

Der Diktator benötigte Papen für den Abschluss des Konkordats des Deutschen Reichs mit dem Vatikan. Das wusste auch von Papen. Doch: So begeistert sich die deutsche Amtskirche noch im Sommer 1933 über diesen Staatsvertrag in Dankschreiben an Hitler geäußert hatte, so sehr war sie über die nun einsetzenden Verstöße besorgt. Sie bombardierte Hitler, Alfred Rosenberg und von Papen mit Protestschreiben. Papen – konnte nichts tun. In serviler Art überführte von Papen stattdessen reibungslos die katholischen Jugendverbände in die Hitlerjugend. In seinen Memoiren bedauerte er später, dass seine Hoffnungen „Lügen gestraft wurden“.

Möckelmann räumt mit einigen Missverständnissen auf, die über den Erzkatholiken Papen bis in die heutigen Tage kursieren und ihn in einem milderen Licht erscheinen lassen. Ohne Emotion zitiert er die berühmte Rede von Papens an der Universität Marburg vom 17. Juni 1934. Diese Rede war zwar das letzte öffentliche Aufbäumen des konservativen Deutschland gegen die Verbrechen der Nazis, sie forderte ein Ende des Terrors, beklagte das Verschwinden einer freien Presse und protestierte gegen die Revolutionsgelüste der SA. Eine mutige Rede, von den Mitarbeitern des Vizekanzlers angefertigt. Doch eine genaue Analyse zeigt, dass sich von Papen jeglicher Kritik an Adolf Hitler selbst enthielt.

Die Rache Hitlers war dennoch von Shakespear'schem Format. In der „Nacht der langen Messer“ (30. Juni auf 1. Juli 1934) wurden die höchsten SA-Führer verhaftet und zum Teil noch nächtens erschossen. Weitere Morde folgten in den darauffolgenden Tagen – nach exakten Todeslisten. Die zwei engsten Mitarbeiter Papens waren darunter. Sie hatten den Redetext verfasst. Neunzig Tote geben die Forscher als sicher an, bis zu zweihundert reichen die Vermutungen.

Und Papen? Er durfte am Leben bleiben. Und sah sich am Tag vor Hindenburgs Tod schon als neuer Reichspräsident. Das wusste Hitler sofort zu durchkreuzen. Aber er benötigte ihn noch. Zuvor schon war Papen in Sondermission nach Wien entsandt worden. Nach dem Putschversuch der österreichischen Nazis, der mit dem Mord an Bundeskanzler Dollfuß endete, wusste er die Wogen in Wien zu glätten – dank seiner unbestrittenen diplomatischen Fähigkeiten.

Dann freilich stand von Papen in Berlin im Weg. Man schickte ihn als Botschafter nach Ankara. In unbeirrbarer Selbstgefälligkeit gerierte sich von Papen dort als Außenpolitiker, gab nicht nur Hitler ungebetene Ratschläge, sondern brachte immer öfter auch den Reichsaußenminister, Joachim von Ribbentrop, zu Zornesausbrüchen.

Freilich: So ganz erfolglos war der Diplomat nicht für Berlin. In Ankara residierte zu jener Zeit der Apostolische Legat Angelo Roncalli. Zu diesem entwickelte der fromme von Papen herzliche Beziehungen, die auch noch anhielten, als Roncalli längst Papst Johannes XXIII. hieß. Es gelang Papen, die Beziehungen der Türkei zu Berlin auch im Zweiten Weltkrieg stabil zu halten, erst am 23. Februar 1945 erklärte Ankara dem Deutschen Reich den Krieg.

Erstaunlich auch die selbstbewusste Verteidigung des einstigen Herrenreiters beim Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher. Von Papen wusste sich in guter Hut: Angelo Roncalli war ein wohlmeinender und respektierter Zeuge. Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden gegen Hitlers Ex-Vizekanzler nicht ins Treffen geführt, eine gemeinsame Verschwörung (Punkt 1) kam auch nicht infrage. Von Papen wurde freigesprochen. Für den Rest seines Lebens kannte er nur noch ein Ziel: seine Rehabilitierung vor der Öffentlichkeit und die Wiederherstellung seiner Ehre. Diese neueste Biografie bewirkt wohl eher das Gegenteil.

Reiner Möckelmann: „Franz von Papen“, Verlag Philipp v. Zabern, 479 Seiten, 39,95 €

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2016)

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