Österreichs Mini-Heer umfasst 8000 Soldaten

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Symbolbild(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Abwehrbereit? In Ungarn stehen 400.000 Soldaten – Was, wenn ein Bürgerkrieg über die Grenze schwappt?

Aber: Ist dieses kleine Bundesheer im Jahr 1956 überhaupt in der Lage, auf etwaige Bedrohungen aus dem Nachbarland zu reagieren? Was, wenn die in Ungarn stationierte Rote Armee in einen Bürgerkrieg eingreift, was, wenn die burgenländische Grenze verletzt wird?

Der Westen, vor allem Amerika, hat die Österreicher seit dem Abschluss des Staatsvertrags im Mai 1955 energisch gedrängt, das Bundesheer rascher aufzurüsten. Die Vereinigten Stabschefs der USA, berichtet der Militärhistoriker Manfried Rauchensteiner, gingen noch im September 1956 von der Annahme aus, dass die neue österreichische Armee in neun Infanterie- bzw. gemischte Brigaden, drei Panzer- und drei Artillerieregimenter gegliedert sein würde. Sie glaubten an eine Stärke von 60.000 Mann. „Dementsprechend“, schreibt Rauchensteiner in dem Sammelwerk „Die Ungarnkrise 1956 und Österreich“ (Böhlau), „waren Lieferungen an Österreich bereits bis 1958 budgetiert. Die Amerikaner wollten aber durchaus nicht die Grundausstattung für alle 60.000 Mann liefern; sie hatten für 28.000 Mann vorgesorgt. Waffen, Munition und Ausrüstung waren abrufbar oder schon abgerufen (sie kamen aus Livorno). Die Sachen waren wohl teilweise nicht mehr letzter Stand der Technik, aber für Österreich immer noch gut . . .“

Nur: In Wien ging alles recht gemächlich voran. Am 28. Juni 1956 intervenierte der US-Gesandte James Penfield bei Bundeskanzler Raab und Vizekanzler Schärf. Er protestierte gegen den vagen Gedanken, den Präsenzdienst auf nur sechs oder gar vier Monate zu limitieren. Der Diplomat verwendete scharfe Worte: Eine Art symbolischer Landesverteidigung hätte verheerende Folgen für das umliegende Europa. Dies würde die Neutralität Österreichs ad absurdum führen. ÖVP-Kanzler Julius Raab war von der Philippika derart beeindruckt, dass er im Überschwang dem Amerikaner versprach, innerhalb weniger Jahre werde das Bundesheer einen Reservistenstand von 500.000 Mann haben. „Rauchensteiner: ,Ein großes Wort!‘“

Anlehnen an die Nato?

Das ist nicht übertrieben. 8000 Mann umfasste diese Mini-Armee im ersten Jahr ihres Bestandes. Gut, dass die Wiener Strategen nicht einmal ahnten, welche Massen an Soldaten sich im Nachbarland befanden: Die ungarische Volksarmee zählte 200.000 Mann, konnte also sehr wohl jederzeit eine komplette Armee ins Feld stellen. Dazu kamen noch einmal so viele Soldaten der Roten Armee, die Ungarn besetzt hielt.

Im Geheimen liefen seltsame Gespräche in Italien, das ja Nato-Mitglied ist. Im Auftrag von ÖVP-Verteidigungsminister Ferdinand Graf sondierte dessen Sektionschef General Emil Liebitzky, wie man das Neutralitätsgesetz zu einer Art Scheinneutralität hinbiegen könne. Die Amerikaner stoppten allerdings diese Annäherungsversuche an die Nato.

Es war alles ein wenig unübersichtlich. So auch die Planung für die ersten Rekruten, die in zwei Wochen kommen sollten. Erst ab der 3. bis 7. Ausbildungswoche dürften sie für Hilfeleistung im Inneren und zum Katastropheneinsatz verwendet werden, hieß es im Erlass des Generaltruppeninspektors. Für einen militärischen Einsatz kämen sie frühestens im vierten Ausbildungsmonat in Frage. Doch das sollte alles nicht halten.

Etwa zur selben Zeit arbeitete das Kommando der sowjetischen Truppen in Ungarn an Plänen zur Niederwerfung eines etwaigen Volksaufstandes. Der Auftrag an die 17. mechanisierte Garde-Division formulierte die Abriegelung der österreichischen Grenze. „Weitere Ziele“, so Rauchensteiner, „und vor allem solche in Österreich wurden nicht genannt.“ (hws)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2016)

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