Hitlers adlige Helfer im Ausland

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Adolf Hitler schickte Mitglieder der alten deutschen Adelshäuser auf geheime Missionen nach Großbritannien, Italien, Ungarn und Schweden.

Als Ian Kershaw 1991 in Nordirland auf Vortragsreise war, erblickte er im Landhaus der aristokratischen Familie Londonderry Seltsames auf dem Kaminsims: die Bronzestatuette eines SS-Mannes mit Standarte. Aus diesem Zufallsfund entwickelte er ein ganzes Buch, das der Historiker „Hitlers Freunde in England“ nannte (DVA). Es wurde ein Bestseller. Mit ähnlicher Thematik beschäftigt sich nun Karina Urbach. Sie erinnert an jene erst jüngst durch Indiskretion aufgetauchte Mini-Filmsequenz aus dem Jahr 1933 (oder 34), in der zwei hübsche Kinder die Ärmchen zum Hitlergruß emporrecken. Ihr Onkel, der spätere König Eduard VIII., nach seiner Abdankung Herzog von Windsor, animiert die Kinder dazu. Ihre Namen: Prinzessin Elizabeth, die spätere Queen, und die Schwester Prinzessin Margaret.

Zu dieser Zeit waren viele Engländer fasziniert vom offensichtlichen Schwung einer neuen Bewegung, die in Italien ihren Ausgang nahm – dem Faschismus. Als 1933 Adolf Hitler in Berlin an die Macht gelangte, besaß er keinerlei internationale Kontakte. Aber der neue Reichskanzler, der nie im Ausland gewesen war und keine Fremdsprache beherrschte, hatte auch wenig Vertrauen ins stockkonservative Auswärtige Amt (völlig zu Unrecht, wie Karina Urbach anmerkt: Die Diplomatie arrangierte sich verblüffend schnell mit den neuen Gegebenheiten). Also schickte Hitler Mitglieder der alten deutschen Adelshäuser auf geheime Missionen nach Großbritannien, Italien, Ungarn und Schweden.

Einer dieser Verbindungsleute, in England geboren und in Deutschland aufgewachsen, war Carl Eduard Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha. Ein Enkel von Queen Victoria. Er war für Hitler mit seinen Kontakten zu Londoner Regierungskreisen wesentlich effektiver als irgendwelche Geheimdienstleute. Auch Stephanie und Max Hohenlohe halfen mit, für den diplomatisch völlig unerfahrenen „Führer“ in britischen Adelskreisen gute Stimmung zu schaffen. Die Autorin kann daher auch dem überraschenden Flug des „Stellvertreters des Führers“, Rudolf Heß, nach England durchaus Logisches abgewinnen: So schlecht sich auch Heß' Terminwahl 1941 erwies, so war sein Vorhaben, Friedensfühler auszustrecken, keineswegs abwegig. Er wusste, dass Hitler schon früher Geheimkanäle verwendet hatte. Und in der Sudetenkrise 1938 erwiesen sich diese auch als äußerst hilfreich.

Weniger erfolgreich war eine verwegene Idee, die Hitler und sein Reichsaußenminister, Joachim von Ribbentrop, 1940 ausheckten und die in Madrid mit dem früheren König Eduard VIII. besprochen worden sein soll: Nach einem Sieg über England werde das Deutsche Reich dem abgedankten deutschfreundlichen Exkönig wieder zum Thron verhelfen, einen Friedensschluss mit Großbritannien herbeiführen und gemeinsam gegen Stalin den Krieg weiterführen.

Auch Prinz Max Egon zu Hohenlohe-Langenburg (1897–1968) betätigte sich als Hobbydiplomat und konnte durch seine Verankerung im europäischen Hochadel in der Sudetenkrise vermittelnd eingreifen. Später war er weniger erfolgreich. Für den zweiten Mann im Reich, Hermann Göring, und für den SS-Chef Heinrich Himmler versuchte er Friedensfühler auszustrecken, wurde vom Papst empfangen und hatte auch einen Gesprächskanal nach Großbritannien. Da sich dort aber niemand Verhandlungen mit Himmler vorstellen konnte, verblüffte der Mittelsmann mit dem Hinweis: Nach einem Friedensschluss könnte man den SS-Chef ja einfach beiseiteschieben.

Ob ihn Göring wirklich mit einer Mission betraut hat, lässt sich nicht belegen. Klar ist, dass Hohenlohe zwischen Oktober 1939 und August 1940 mehrmals in die Schweiz reiste und dort seinem Kontaktmann Colonel Christie mitteilte, Göring sei bereit, Hitler und alle radikalen Elemente in der NSDAP kaltzustellen, wenn die Friedensbedingungen tragbar seien. Es blieb beim Versuch, das Ende ist bekannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2016)

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