Vor 100 Jahren: Der Büffeltöter Buffalo Bill ist tot

Buffalo Bill im Porträt (vermutlich im Jahr 1900).
Buffalo Bill im Porträt (vermutlich im Jahr 1900).(c) Imago
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Am 10. Jänner 1917 starb William Cody, besser bekannt als Buffalo Bill. Der Mythos des Wilden Westens ist vor allem auf ihn zurückzuführen.

Eigentlich hieß "Buffalo Bill" William Cody. Seinen berühmten Spitznamen erhielt er, weil er im Auftrag einer Eisenbahngesellschaft innerhalb von 18 Monaten 4280 Bisons getötet haben soll, um die Arbeiter mit Fleisch zu versorgen. Angeblich lieferte er sich mit einem weiteren Bisonjäger sogar ein "Duell" darum, wer diesen Namen tragen darf. In einem achtstündigen Büffelschießen soll er sich gegen seinen Kontrahenten durchgesetzt haben: Er tötete 68 Tiere, sein Gegner nur 48.

Buffalo Bill trug damit seinen Teil zur Vernichtung der Lebensgrundlage der Indianer bei. Denn von den geschätzten 50 Millionen Bisons, die im Jahr 1850 noch im Mittleren Westen der USA lebten, blieben 30 Jahre später gerade einmal 1000 Tiere übrig.

Dennoch schrieben die Sioux des Pine-Ridge-Reservats nach seinem Tod am 10. Jänner 1917 (er starb im Alter von 70 Jahren an einem Nierenversagen) einen Nachruf, in dem sie Buffalo Bill als treuen Freund ihres Volkes bezeichneten. Das mag daran gelegen haben, dass er den Indianern mit Respekt begegnete. "Jeder Aufstand der Indianer, den ich erlebt habe, war das Resultat gebrochener Versprechen und Verträge der Regierung", schrieb er auch in seiner Autobiografie "The Life and Adventures of Buffalo Bill".

25.000 Menschen erwiesen ihm bei der Aufbahrung im Kapitol in Denver die letzte Ehre. Der ehemalige US-Präsident Theodore Roosevelt (1901-1909) nannte ihn "den Amerikaner schlechthin".

Reiter beim berühmten Pony Express

Der 1846 in Iowa geborene Cody bewies sich nach dem frühen Tod seines Vaters bereits in jungen Jahren als talentierter Reiter. Schon bald verdiente er damit seinen Lebensunterhalt und war schließlich auch als Army-Scout sowie für den berühmten Reiter-Postdienst Pony Express tätig, ehe er zum professionellen Bisonjäger wurde.

Nach der Schlacht am Little Bighorn im Juni 1876, bei der General George Armstrong Custer getötet wurde, nahm Buffalo Bill als Kundschafter an einem Rachefeldzug gegen die Indianer teil. Dabei tötete er Häuptling Yellow Hand und skalpierte ihn (außer dem Indianer wurde bei dem Gefecht, das rasch zur heroischen "Schlacht" aufgebauscht wurde, übrigens niemand getötet). Angeblich mit dem Ausruf: "Der erste Skalp für Custer!"

Berühmt machte ihn schließlich der US-Journalist Ned Buntline, der nach einer Begegnung mit ihm Groschenhefte, aber auch Theaterstücke mit Buffalo Bill als Helden erschuf, die von Klischees und Übertreibungen geprägt, aber sehr erfolgreich waren. Endgültig zur Legende machte sich der Büffeljäger dann aber mit seiner "Buffalo Bill's Wild West Show", die er 1883 gründete.

Buffalo Bill mit Sitting Bull (vermutlich im Jahr 1885).
Buffalo Bill mit Sitting Bull (vermutlich im Jahr 1885).(c) Imago

Buffalo Bill, Erfinder des Wilden Westens

Der Erfolg des Spektakels, in der Reiter um die Wette galoppierten und Kunstschützen wie die weltbekannte Annie Oakley sich in Zielgenauigkeit übertrafen, war gewaltig. Sogar der legendäre Sioux-Stammeshäuptling Sitting Bull gastierte eine Saison in der Show, und bald schaffte sie es zur britischen Queen Victoria, durch Europa und bis nach Asien. Auch im Wiener Prater machte Cody Station. Die dort auftretenden Indianer fühlten sich im Prater offenbar besonders wohl, schrieb die "Neue Freie Presse" am 27. Mai 1906, "sie meinen, es sei hier wie in ihrer Heimat". Besonders beliebt waren beim Publikum die ausführlich choreographierten Kämpfe mit Ureinwohnern und deren Angriffe auf Festungen oder Hütten der weißen Siedler.

"Die Geburt des Wilden Westens als erfolgreiches Genre war zu großen Teilen ein Produkt von Persönlichkeit, dramatischem Scharfsinn und gutem Timing", schreibt Paul Fees, ehemaliger Kurator des Buffalo-Bill-Museums in der nach der Legende benannten Stadt Cody in Wyoming, wo Buffalo Bill einst lebte. Millionen Menschen erzählte er damit zwischen 1883 und 1913 von Abenteuern und Alltag, Kämpfen und Kultur der Pionierjahre. Cody habe die Eroberung des Westens "besser als jedes andere Medium seiner Zeit" in "klarer erzählerischer Form" in den jungen USA und im Ausland präsentiert, so Fees.

Buffalo Bill, der Büffeltöter

Buffalo Bill, der Reinhardt der Prärie, ist gestorben, 71 Jahre alt. Er kommt nicht wieder. Wie oft und wie groß stand es auf seinen riesigen Plakaten, die mit rohen primitiven Malereien bekleyt waren: "Ich komme! Ich komme! Ich komme! 21 Tourneen habe ich unternommen, 330.000 Meilen bin ich mit 400 Menschen und 500 Pferden gereist, ich habe die Welt durchquert von San Francisco bis Neapel, von Quebeck bis Los Angelos, von Missouri bis zur Donau - und nun komme ich nicht wieder!" Und diesmal erst ist die Nachricht wahr: Der Büffeltöter kommt nicht wieder. Und die Welt ist um einen eigenartigen Schauspieler und Regisseur ärmer. Man hatte vor ihm nichts gesehen, das ihm glich, er war der einzige Held des einzigen wahren Wald- und Wiesendramas, er hatte keinen Rivalen und keine Konkurrenz (wo doch sonst die Konkurrenz sich stets als Zeichen des Erfolges meldet) und die Welt wird jetzt nach seinem gemächlichen Abtraben in die Gefilde der ewigen Jagdgründe nichts Aehnliches mehr zu sehen bekommen. Er war der erste, der seine ganze Rolle zu Pferde spielte und der erste, der Massenaufzüge im Zirkus veranstaltete. Er hatte die gute amerikanische Idee gehabt, seine in zahlreichen Indianerkämpfen erlittenen Wunden und Schrammen in pittoresken Verbänden gegen Eintrittsgeld zu zeigen und das, was er in den Savannen des Nordens und den Pampas des Südens erlebt, von 3 bis 5 und von 8 bis 10 heute und täglich in der Manege zu wiederholen. Es waren bodenständige amerikanische Künste, die er bot Familienblattillustrationen von Wildwestkämpfen, Kinoszenen, bevor der Landsmann Edison das Kino schuf.

Buffalo Bill - die Trabkadenz des Namens ist schon charakteristisch - hieß eigentlich Richard Cody. Auch trug er den Titel Oberst. Ob er jemals Leutnant, Hauptmann und Major gewesen, weiß niemand und ist mehr als zweifelhaft. Aber das tat in Amerika damals nichts zur Sache und nur in unserer veralteten Welt nimmt man es mit dem Einhalten der Leitersprossen so genau. In Amerika, wo den Entwicklungsmöglichkeiten des Individuums staatsrechtlich keinerlei Hemmungen entgegengesetzt sind, kann man eines Tages, Zeus' Tochter gleich, gestiefelt und gespornt als Oberst zur Welt kommen. Buffalo Bill war übrigens viel mehr als sein Titel besagte. Das unbeholfene und rührend naive, dabei marktschreierisch geschwätzige Programm der Codyschen Vorstellungen (das europäischem Volkswesen gegenüber völlige Ahnungslosigkeit verwies), nannte ihn "einen Edelmann, der keine Beleidigung ertrug, dessen weiches Herz jedoch keinem Kinde eine Bitte abschlagen konnte, einen Mann mit ungeheurem Selbstbewußtsein, dabei bescheiden und einfach, einen bedeutenden Astronomen, Geologen, Botaniker und Zoologen, einen unübertrefflichen Schützen, den kühnsten Reiter der Welt, einen Späher und Kundschafter, der "die besten Spürhunde in Erstaunen setzt", einen verblüffenden Künstler auf der Jagd nach Wild und Wilden, den bewunderten Freund vieler Generale, den furchtbarsten Feind der Rothäute, einen Soldaten, der keine Müdigkeit kennt und den kein Hindernis schreckt, einen Desperado von großer Kaltblütigkeit und eisernem Mute, der den gräßlichsten Todesqualen und Gefahren nur wie durch ein Wunder entronnen ist".

(...) Weil der Roughrider so viele Büffel getötet hatte, nannten sie in den Buffalo Bill. Und er mußte, im Staatsauftrag oder im Dienste kaufmännischer Interessen, so viele Büffel töten, weil man die Prärien und undurchdringlichen Wälder säubern und freilegen wollte; für Straßen und Eisenbahnen, für Handelswege und Menschenansiedlungen. Das war immer notwendig gewesen, vom Augenblicke an, da die ersten Pilgerväter hinüberkamen bis auf den heutigen Tag. Denn die neue Welt ist immer noch nicht fertig und es bedarf noch immer neuer Büffeltöter. Es ist ein weiter Weg zurückgelegt worden - eine Welt der Mühsal und des Marsches nannte ihn Walt Whitman - von Frobisher und Walter Raleigh bis zu dem Roughrider Oberst Cody.

Neue Freie Presse, am 1. Februar 1917

(Ag./phu)

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