Ein Palast fürs Wirtschaftsstudium

In der Fachzeitschrift „Der Architekt 1918/19“ wurde das Wiener Hochschulgebäude Alfred Kellers in Wort und Bild gerühmt.
In der Fachzeitschrift „Der Architekt 1918/19“ wurde das Wiener Hochschulgebäude Alfred Kellers in Wort und Bild gerühmt.(c) Privat
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Vor hundert Jahren bezog die k. k. Exportakademie ihr neues Gebäude. Mitten im Ersten Weltkrieg entstand eine raffinierte und hochmoderne Hochschule.

Am 20. März 1917, mitten im Ersten Weltkrieg, wurde ein imposantes Gebäude unweit des Währinger Parks (damals Gaswerkgasse, heute Franz-Klein-Gasse) eröffnet. Die „Neue Freie Presse“ berichtete nur kurz, aber doch über das Ereignis: Handelsminister Anton Urban und Unterrichtsminister Max Hussarek waren erschienen. Es sprachen der Vizepräsident des Vereins der Exportakademie, Ferdinand Neureiter, und der Direktor, Anton Schmid. Er sollte ab 1919 der erste Rektor der Institution werden, die inzwischen zur Hochschule für Welthandel erhoben worden war.

Heute wird das prächtige Gebäude von der Universität Wien für die Institute für Alte Geschichte, Ägyptologie und Archäologie sowie in einem Anbau seit 1975 als Dolmetschzentrum (Translationswissenschaft) genutzt. Aber von den meisten Zeitzeugen der Ersten und Zweiten Republik wurde und wird es als Sitz der Hochschule für Welthandel wahrgenommen.

Tatsächlich hieß die Hochschule so zwischen den Jahren 1919 und 1975, ehe sie in die Wirtschaftsuniversität (WU) umgewandelt wurde, die dann Anfang der 1980er-Jahre in die Augasse beim Franz-Josephs-Bahnhof und 2015 in die Krieau im Prater umzog.

Damals im März 1917 diente der repräsentative Bau im Heimatstil mit Jugendstilelementen der k. k. Exportakademie, der Urmutter der heutigen WU, als neue Ausbildungsstätte. Denn die 1898 bezogenen Räumlichkeiten im Palais Festetics (Berggasse) waren angesichts der (bis 1914) steigenden Hörerzahlen zu eng geworden. Die rechtliche Konstruktion der Akademie mutet hochmodern an: eine Partnerschaft des Staates mit privaten Förderern und einem eigenen Trägerverein.

Zur Änderung des unzweckmäßig gewordenen und altmodisch klingenden Namens gab es bereits in der Monarchie Projekte und ein Gutachten des Verfassungsexperten Hans Kelsen, um die Akademie in eine Handelshochschule umzuwandeln, was aber erst in der Republik mit einem Ermächtigungsgesetz der konstituierenden Nationalversammlung gelang.

Sogar ein Labor wurde gebaut

Doch die nagelneue Infrastruktur stand schon im Herbst 1916 bereit: Das neue Gebäude entsprach dem Stand der damaligen Bildungseinrichtungen und konnte trotz Kriegswirren pünktlich mit hochwertigem Dolomitenputz und einigen sparsamen Verzierungen fertiggestellt werden. Dem Gesamtkonzept folgend, beziehen sich alle Darstellungen (Masken, Balkonverzierungen, Bilder) auf das Thema Welthandel und stellen symbolisch ferne Länder und die Handelshäfen in Konstantinopel, Hamburg, Amsterdam und Triest dar. Der Architekt, Prof. Alfred Keller (1875–1945) hatte Vorsorge für die Bedürfnisse der künftigen Exportkaufleute getroffen: Neben Hörsälen gab es Archive, eine Bücherei, aber auch Räume mit Projektoren, ein Fotostudio und sogar ein Labor mit Mikroskopen. Das Gebäude verfügte über einen kleinen Aufzug bis ins Dachgeschoss, mehrere Hörsäle, die auch für Abendveranstaltungen geeignet waren, aber es fehlte ein Auditorium Maximum, das erst in den 1970er-Jahren in einem Anbau errichtet wurde. Die Räume waren raffiniert belüftet und so gut belichtet, wie man es sich heute in manchen modernen Hörsälen nur wünschte.

Dank der einfühlsamen Restaurierung durch den Architekten und Ziviltechniker Helmut Neumayr im Jahr 2001 glänzt das Gebäude heute im Originalzustand und stellt neben der Universität für Bodenkultur das wichtigste Uni-Gebäude im Nordwesten Wiens dar.

Der Autor, Jahrgang 1963, ist ao. Universitätsprofessor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien.

Soeben erschienen: Gerhard Strejcek (Hrsg), „Wirtschaft, Welthandel und Recht. Der Neubau der k. k. Exportakademie und dessen Eröffnung am 20. März 1917“, New Academic Press, 112 Seiten, 14,90 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2017)

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