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Creditanstalt: "Ein wirtschaftlicher Hochverrat an Österreich"

WIEN: BANK AUSTRIA ZENTRALE IN DER SCHOTTENGASSE
WIEN: BANK AUSTRIA ZENTRALE IN DER SCHOTTENGASSEAPA/ROLAND SCHLAGER
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Der frühere Generaldirektor Hannes Androsch geißelt die planlose und stümperhafte Privatisierung der einst größten Bank. Eine umfangreiche wissenschaftliche Studie skizziert den rasanten Aufstieg, die Turbulenzen, schließlich den Ausverkauf.

Wien. Kann man aus der Geschichte lernen? Konkret aus der Wirtschaftsgeschichte der Ersten Republik? Der Historiker Fritz Weber versucht es in einer umfangreichen Dokumentation über die Creditanstalt, die im Jahr 1931 mit einem Verlust von einer Milliarde Schilling knapp vor der Pleite stand, die nur vom Steuerzahler verhindert werden konnte. Die wechselvolle Schilderung mündet in einem bitteren Abgesang des einstigen CA-Generaldirektors Hannes Androsch, dessen Nachfolger die Bank nach 142 Jahren durch einen Überraschungscoup 1997 der Bank Austria übergeben mussten.

„Was mit der CA in den Neunzigerjahren passierte, war ohne Not. Das war wirtschaftlicher Hochverrat an Österreich“, sagt der einstige Vizekanzler und Finanzminister in der Regierungszeit Bruno Kreiskys. „Die Aufarbeitung der letzten zwanzig Jahre ist noch nicht erfolgt.“ Aber so viel ist für ihn sicher: Der Ausverkauf der CA-Tochterfirmen wie Steyr-Daimler-Puch, Andritz, Treibacher, Waagner-Biro, Jenbacher sei nichts anderes als „Verschleuderung von Volksvermögen“. Und der Clou sei 2001 erfolgt, „als sich die Bank Austria in die Arme der bayrischen HVB geworfen hat“.

Am 31. Oktober 1855 war die k. k. privilegierte Creditanstalt für Handel und Gewerbe gegründet worden, am 1. Februar 1856 eröffnete sie mit 17 Beamten in der Renngasse Nr. 1 ihre Schalter. Der Erste Weltkrieg, der New Yorker Börsenkrach, die Weltwirtschaftskrise brachten die Bank in gewaltige Schieflage. Der schwerste Schlag war aber die Zwangsfusion mit der maroden Bodencreditanstalt. 1939 benannte das NS-Regime die Bank in Creditanstalt-Bankverein um. Ihr stolzer Stammsitz war seit der Ringstraßenära das berühmte Gebäude an der Ecke Schottenring/Schottengasse.

Nach dem Krieg war die verstaatlichte CA das dominierende Bankhaus der Zweiten Republik. Bis 1997 die Politik die Bundesanteile an der CA privatisierte. Es waren 69,45 Prozent der Stimmrechte. Diese wurden an die Bank Austria veräußert, die ihrerseits sechs Jahre zuvor, 1991, aus der Fusion der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien mit der staatlichen Länderbank hervorgegangen war. Androsch: „Der von der BA erlegte Kaufpreis lag mit 17,1 Milliarden Schilling deutlich unter dem Anteilswert, der mindestens 24 Mrd. Schilling ausmachte.“ Freilich lag er weit über dem Anbot, das eine Gruppe um CA-Generaldirektor Schmidt-Chiari gelegt hatte: acht Milliarden.

Viktor Klima, damals Finanzminister im Kabinett Vranitzky, wäre auch mit zwölf Milliarden zufrieden gewesen, weiß Androsch zu berichten. Er benötigte den Verkaufserlös, um die Kriterien für den Beitritt Österreichs zur Europäischen Währungsunion zu erfüllen. So wurde die CA zu einer Tochter der Bank Austria. „How Not to Privatize a Bank“ titelte damals das „Wall Street Journal Europe“ den Prozess, der sich über sechs Jahre hinzog. Die Bank Austria hatte ein prächtiges Geschäft gemacht, war doch der ohnehin geringe Kaufpreis mit den Gewinnen der nächsten drei Jahre refinanziert.

Und im Jahre 2001 kaufte die Bayerische Hypo- und Vereinsbank die BA. Androsch kann es bis heute nicht fassen: „Hinter dem Verkauf stand das ehrgeizige Bestreben des BA-Chefs Gerhard Randa, sicherlich aber auch die Notwendigkeit, die für Österreich zu große Bankenkonstruktion zu internationalisieren.“ Nur allzu rasch sollte sich herausstellen, dass die HVB ein Sanierungsfall war, sagt der frühere Spitzenpolitiker. Schlagartig seien die österreichischen Aktionäre der Bank Austria um siebzig Prozent des Wertes ihrer Beteiligung umgefallen. „Inzwischen ist dieser Verlust längst auf neunzig Prozent angestiegen.“

Bitteres Resümee: „Ein österreichisches Paradoxon, ermöglicht durch schnöde Zukunftsvergessenheit, politisches Desinteresse und falschen persönlichen Ehrgeiz“.

Buchtipp: Fritz Weber, „Vor dem großen Krach“, Böhlau, 625 Seiten, 60 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2017)

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