SerieMesse-Fernsehen: als TV-Programm noch nicht sieben Tage die Woche 24 Stunden täglich zu sehen war.
Die Erinnerung ist ja auch nicht mehr das, was sie einmal war. Wo sind die Zeiten, da Reminiszenzen noch von Habsburgerglanz und Monarchiegloria strahlten. Wirtschaftswunderkinder wie ich, mittlerweile auch schon ins Früher-war-alles-besser-Alter vorgerückt, haben da bestenfalls Banales zu bieten, und wo meine Großmutter, Jahrgang 1907, noch den kleinen Thronfolger Otto mit den gelockten Haaren im Sinn hatte, wie er an der Seite seiner kaiserlichen Eltern gen Eckartsau kutschiert wurde, spukt mir das Messe-Fernsehen durch den Kopf – und wie es längere Nachmittage meiner Jugendzeit verkürzte.
Messe-Fernsehen? Nun ja, wo fängt man mit dem Erklären an? Zunächst: Es war einmal eine Wiener Messe, genauer, es gab alljährlich deren zwei, eine im Frühjahr und eine im Herbst, und die vereinten in jenen Tagen innerhalb je einer Woche so ziemlich alles, was sich heute auf zig Einzel-Messeveranstaltungen und folgerichtig ein ganzes Jahr verteilt findet: Konsumträume aller Art, Möbel genauso wie Schweizer Schokolade, Kirchenorgeln genauso wie Staubsauger und eben auch – das Fernsehzeitalter stand Anfang der Siebziger in schönster Blüte – die neuesten Segnungen der TV-Geräte-Industrie.
Doch was sollte auf den damals eben erst farbtauglich gewordenen Schirmen tagsüber schon zu sehen sein, wo doch Programm erst ab 18 Uhr gezeigt wurde (mit mageren Nachmittagsausnahmen wie dem Kinderprogramm dreimal die Woche sowie Schichtarbeiterprogramm und Schulfernsehen an Vormittagen)? Und also ward das Messe-Fernsehen erfunden, in der jeweils einen Messe-Woche des Frühlings und des Herbstes vom Österreichischen Rundfunk ausgestrahlt, dem sich in späteren Jahren ein sogenanntes Ferienprogramm als jahreszeitliche Aufbesserung der sonst noch dem Umfang nach durchaus bescheidenen Fernsehkost zur Seite stellte. Beides von mir damals freudig willkommen geheißen, auf dass es meine Freizeit respektive das, was ich – ein nicht eben allzeit strebsamer Schüler – dazu ausersah, mit filmischen Lustbarkeiten der überwiegend eher simplen Art fülle.
Ausführlicher Grundkurs in Mainstream-Kino
So verdanke ich Messe-Fernsehen samt Ferienprogramm einen ausführlichen Grundkurs in Mainstream-Kino von den Dreißiger- bis zu den Sechzigerjahren, von Hollywood über Ufa bis zur Wien-Film, den mir keine noch so sorgsame Retrospektive je hätte bieten können. Darüber hinaus allerdings auch die Begegnung mit so manchem, was heutiger Wahrnehmung nach als Klassiker des jeweiligen Genres gilt: den kinematografischen Tanzträumen von Fred Astaire und Ginger Rogers geradeso wie Helmut Käutners „Großer Freiheit Nr. 7“ oder Willi Forsts „Bel Ami“.
Und übrigens, zum Troste heutiger anderweitig medial besorgter Eltern: TV-Junkie ist aus mir trotz phasenweise eher exzessiver Weltflucht via Television durchaus keiner geworden, eher, falls das denkmöglich ist, das grade Gegenteil. Doch das wiederum ist kein Stück Erinnerung, das ist meine ziemlich televisionslose Alltagsgegenwart.