Vor 25 Jahren wurde Mafia-Jäger Borsellino ermordet

Paolo Borsellino
Paolo Borsellino imago/Pacific Press Agency
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Am 19. Juli 1992 starb der Staatsanwalt Paolo Borsellino bei einem Bombenanschlag. Nie zuvor hatte die Mafia eine so aggressive Offensive gegen Staatsdiener gewagt.

Italien gedenkt am Mittwoch einer der dunkelsten Phasen seines Kampfes gegen die Mafia. Vor 25 Jahren, am 19. Juli 1992, wurde der sizilianische Anti-Mafia-Staatsanwalt Paolo Borsellino in Palermo Opfer eines Bombenanschlags der Cosa Nostra. Der Mord, zwei Monate nach einem ähnlichen Anschlag auf Borsellinos engsten Freund und Mitarbeiter Giovanni Falcone, schockte die Öffentlichkeit zutiefst.

Noch nie zuvor hatte die Mafia eine derart aggressive Offensive gegen Staatsdiener gewagt. Borsellino wurde in seiner Heimatstadt Palermo vor der Wohnung seiner Mutter zusammen mit fünf Leibwächtern von einer Autobombe getötet. Mit Falcone galt er als einer der bekanntesten und prestigereichsten Anti-Mafia-Staatsanwälte Italiens. In Palermo finden dieser Tage mehrere Kundgebungen gegen das organisierte Verbrechen statt, bei denen die Behörden aufgefordert wurden, im Kampf gegen die Cosa Nostra nicht nachzulassen. Zu der Gedenkfeier werden in Palermo viele Spitzenpolitiker erwartet.

Aufbau des Anti-Mafia-Pools

Borsellino, der 52-jährig starb, hatte sich stets bemüht, die internationalen Verbindungen der Cosa Nostra aufzudecken. Mit Falcone und Borsellino hatte Italien innerhalb kürzester Zeit die beiden profiliertesten Mafiajäger verloren. Beide stammten aus Palermo, verstanden die Mentalität der Sizilianer und damit auch jene der Cosa Nostra, wie die Mafia auf Sizilien heißt. Eine entscheidende Rolle spielte Borsellino mit Falcone beim Aufbau des sogenannten Anti-Mafia-Pools, einer Gruppe von Staatsanwälten, die Mitte der 80er-Jahre sehr erfolgreich gegen das organisierte Verbrechen vorging. In den 80er-Jahren war die Mafia dank beider Staatsanwälte in arge Bedrängnis geraten. Die Anklagebehörde brachte in dem sogenannten "Maxiprocesso" Dutzende Mafiabosse vor Gericht.

Borsellino ahnte, dass ihm das gleiche Schicksal wie Falcone drohte. "Einige Tage vor seiner Ermordung soll er erfahren haben, dass der Sprengstoff für ihn in Palermo eingetroffen war", erzählte sein ehemaliger Kollege Giuseppe Di Lello in einem Dokumentarfilm über Borsellino im italienischen Fernsehen. "In einer solchen Situation würde jeder seine Koffer packen und weggehen. Doch er blieb."

Die Mafia hatte schon häufig Ermittler aus dem Weg geräumt, die ihr zu gefährlich geworden waren. Die Morde an Borsellino und Falcone blieben aber im kollektiven Gedächtnis hängen wie keine andere Bluttat der Cosa Nostra. Sie markierten einen Wendepunkt in der Haltung der Bevölkerung. Hunderttausende gingen nach Borsellinos Tod in Palermo auf die Straßen. Viele Sizilianer brachen ihr Schweigen und stellten sich erstmals offen gegen die Mafia. Erpresste Geschäftsleute wehrten sich zunehmend, "Schutzgeld" zu zahlen. Nicht wenige von ihnen mussten dies mit ihrem Leben bezahlen.

Auf Ermordungen folgte neue Anti-Mafia-Gesetzgebung

Kurz nach Falcones und Borsellinos Ermordung wurde eine neue Anti-Mafia-Gesetzgebung verabschiedet, die abtrünnigen Mafiosi beträchtliche Strafmilderungen garantiert. Dank der Kooperation reuiger Kronzeugen konnten die italienischen Behörden in den Jahren nach dem Tod der Staatsanwälte wichtige Erfolge verbuchen. Entscheidend erwies sich im Jänner 1993 die Verhaftung von Toto Riina, Nummer eins der sizilianischen Mafia, der wegen Falcones Tod zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde. Lebenslänglich hinter Gittern sitzt auch Mafia-Boss Giovanni Brusca. Er hatte den Auslöser der Bombe gedrückt, der Falcone tötete.

Seither hat sich vieles in der Struktur der Cosa Nostra gewandelt. Sie setzt nicht mehr auf Aufsehen erregende Anschläge, um ihre Macht zu behaupten, sondern auf die Ausdehnung ihres Wirtschaftsimperiums. Die Mafia, die überwiegend mit Drogen- und Waffenhandel Milliardenprofite macht, mischt jetzt auch in Branchen wie Bauwirtschaft, Müllentsorgung und Gastronomie mit. Zuletzt tauchten Hinweise auf Millionen-Geschäfte mit der Flüchtlingsversorgung auf Sizilien auf.

Vor allem das Baugewerbe sei sehr anfällig für die Infiltration, meinen Experten. Gerade kleinere Unternehmer profitieren, wenn die Verbrecher sich einmischen und Mitbewerber vom Markt halten. Nur stärkere Kontrollen durch Lokalregierungen könnten dies verhindern, meinen Experten.

(APA)

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