Dollfuß-Opfer: ÖVP ist für „Einzelfallprüfung“

Engelbert Follfuß - Porträt im ÖVP-Parlamentsklub
Engelbert Follfuß - Porträt im ÖVP-Parlamentsklub(c) Michaela Seidler
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Todesurteile und Strafen der Regierung Dollfuß sind noch nicht aufgehoben. ÖVP-Nationalratspräsident Neugebauer lehnt eine pauschale Amnestie ab. Das Dollfuß-Bild im ÖVP-Klub soll bleiben.

Wien. Es ist eines der heikelsten Kapitel der österreichischen Zeitgeschichte: Auf der einen Seite standen die Sozialdemokraten, manche durchaus verbalradikal, und deren militärische Vorfeldorganisation, der Schutzbund. Auf der anderen die Heimwehr und der christlich-soziale Kanzler Engelbert Dollfuß, der den Worten dann auch Taten folgen ließ, die Demokratie aushebelte und ein autoritäres, mittelalterlich anmutendes Regime installierte, den Ständestaat.

Während im Vorjahr die Opfer der NS-Militärjustiz rehabilitiert wurden, sind die von der Regierung Dollfuß verhängten politisch motivierten Todesurteile und Haftstrafen noch nicht aufgehoben. Eine Gruppe von Wissenschaftlern rund um Historiker Oliver Rathkolb und Sozialwissenschaftler Emmerich Tálos hat sich der Sache nun angenommen und einen Brief an die Nationalratsabgeordneten verfasst. Aktueller Anlass: Am Mittwoch wird im Justizausschuss ein Antrag des Grünen Albert Steinhauser behandelt, der die Rehabilitierung der Dollfuß-Opfer fordert. Ehemalige Nationalsozialisten sollen davon jedoch ausgenommen sein.

Auch aus diesem Grund plädiert der Zweite Nationalratspräsident, Fritz Neugebauer (ÖVP), für eine „Einzelfallprüfung“. Dies müsse möglich sein, da die Anzahl der Opfer überschaubar sei. Eine pauschale Amnestie lehnt er ab. „Ich bin aber dafür, alles wissenschaftlich genau aufzuarbeiten.“ Schließlich sei die Geschichte der Zweiten Republik auch eine der Versöhnung. Neugebauer erinnert an den historischen Handschlag zwischen Bruno Pittermann (SPÖ) und Alfons Gorbach (ÖVP) und die Initiative von Heinz Fischer und Andreas Khol.

Soll das Dollfuß-Bild im ÖVP-Klub hängen bleiben? Ja, sagt Neugebauer, aus Respekt vor dem Menschen Dollfuß. Dieser sei „das erste Opfer der Nazis“ gewesen. „Aber er war sicher kein Demokrat, das ist klar.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2010)

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