Mini-Mehrheit für Islands EU-Antrag

(c) Reuters (Bob Strong)
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33 der 63 Abgeordneten des isländischen Parlaments stimmten Beitrittsverhandlungen zu. 2012 will die Regierung EU-Mitglied sein.

Kopenhagen/Reykjavik. Mit äußerst knapper Mehrheit hat Islands Parlament am Donnerstagnachmittag den Weg für Beitrittsverhandlungen mit der EU frei gemacht. Nach einer sechstägigen Marathondebatte stimmten 33 der 63 Abgeordneten im Althing von Reykjavik für den EU-Antrag, 28 dagegen. Zuvor hatten 32 Mandatare die Forderung der konservativen Opposition verworfen, die Aufnahme der Gespräche mit der Europäischen Union vom Ausgang eines Referendums abhängig zu machen. Nun soll erst das abschließende Ergebnis der Verhandlungen einer Volksabstimmung vorgelegt werden.

Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Johanna Sigurdardottir will den Beitrittsantrag schon bei einem EU-Außenministertreffen am 27.Juli in Brüssel überreichen. Die isländischen Sozialdemokraten sehen die Mitgliedschaft in der EU als einzigen Ausweg aus der Krise, in die das 320.000 Einwohner zählende Land nach der Pleite des gesamten Bankensektors und dem Zusammenbruch der nationalen Währung im vergangenen Herbst geschlittert ist. Nur durch die Einführung des Euro sei das Vertrauen in die Währungspolitik wiederherzustellen. Doch Sigurdardottir musste bis zuletzt zittern. Die ursprünglich komfortable Mehrheit für den sofortigen EU-Antrag schrumpfte in den vergangenen Wochen immer mehr zusammen, als sich auch zahlreiche EU-positive bürgerliche Mandatare und mehrere EU-Gegner des links-grünen Regierungspartners der Linie der Konservativen anschlossen.

Konflikt um Milliardenkredit

Grund dafür war der Konflikt um ein Abkommen über die Entschädigung der von der Bankenpleite betroffenen Auslandskunden der Internetbank Icesave, das die rot-grüne Regierung mit Großbritannien und den Niederlanden geschlossen hat. Die dafür von London und Den Haag gewährten Milliardenkredite und deren nach Ansicht der Kritiker überhöhte Zinsen belasten das ohnedies schwer verschuldete Island so stark, dass die Schuldenlast mittlerweile 200Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung übersteigt. Die Regierung ist noch stärker gezwungen die Staatsausgaben radikal einzuschränken und die Einnahmen über Steuern zu erhöhen.

Vor der Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen müsse dieses Abkommen revidiert werden, forderte der Nein-Flügel. Die Regierung warnte hingegen davor, durch eine Ablehnung des Icesave-Deals Islands internationalen Goodwill aufs Spiel zu setzen.

Doch auch sonst gibt es zahlreiche Stolpersteine auf dem Weg nach Brüssel. Zwar hat Island durch seine Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) schon einen Großteil des EU-Regelwerks in seine Gesetzgebung übernommen, doch Landwirtschaft und Fischerei sind keine EWR-Themen, und Bauern und Fischer sind die härtesten EU-Gegner auf der Insel. Island geht mit der Forderung, seine Fischbestände auch weiter selbst verwalten zu können, in die Beitrittsverhandlungen. Dies wird bei einigen EU-Ländern ebenso auf Widerstand stoßen wie das Anliegen, den kommerziellen Walfang fortsetzen zu können. Der hohe Schuldenstand macht zudem die baldige Einführung des Euro illusorisch, was das beste Argument der Ja-Seite unterminiert.

Die Regierung in Reykjavik strebt den Abschluss der Gespräche bis 2011 und den EU-Beitritt ein Jahr später an. Davor wartet allerdings noch ein Referendum mit völlig ungewissem Ausgang. Zur Zeit wünschen zwar zwei Drittel der Isländer die Aufnahme von Gesprächen – aber weniger als die Hälfte glaubt, dass diese mit zufriedenstellenden Ergebnissen enden.

„Große Chancen auf ein Nein“

Auf die Frage, ob die Bürger Islands sich im Falle einer Volksabstimmung gegen einen Beitritt zur EU aussprechen werden, sagte Islands Finanzminister Steingrimur Sigfusson: „Es besteht eine große Chance“, dass dies passiere. Es stünden viele lebenswichtige Interessen des Landes auf dem Spiel. Sigfusson ist Mitglied der Links-Grünen, die einem Beitritt skeptisch gegenüberstehen.

AUF EINEN BLICK

Island ist bereits Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und hat damit viele Gesetze an die EU angepasst. Im Rahmen von Beitrittsverhandlungen könnte es zu Problemen bei der Fischerei kommen. Denn ein EU-Beitritt würde Fangquoten einführen. Die isländischen Fischer müssten ihre Gewässer mit Flotten aus anderen EU-Ländern teilen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2009)

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