Felix Mitterer verwandelt sich in Kafkas Affen

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Eine dramatische Umsetzung von „Ein Bericht für eine Akademie“ in der Walfischgasse. Der Autor arbeitet viel vom Tiefsinn der Erzählung heraus.

Möwen kreischen, Wasser rauschen, dann fallen zwei Schüsse. Auch der Käfig für das wilde Tier auf dem Überseedampfer der Firma Hagenbeck steht bereit, und schon ist man mittendrin in Franz Kafkas 1917 entstandener, noch im Ersten Weltkrieg publizierter Erzählung „Ein Bericht für eine Akademie“, die so viel darüber verrät, dass unser tiefstes Menschsein von der tierischen Existenz kaum zu unterscheiden ist.

Im Vorjahr hat man in Wien im Sommer gerüchteweise erfahren, dass dem Tiroler Schriftsteller Felix Mitterer nach ungefähr dreißig Jahren Absenz als Schauspieler mit der Dramatisierung dieses Textes in Telfs ein wahres Kabinettstück gelungen ist. Beim Gastspiel im Theater in der Walfischgasse konnte man sich am Mittwoch davon überzeugen, dass dieser Bericht über einen Triumph keineswegs übertrieben war. Mitterer ist ein großer Wurf gelungen. So schön traurig kann es sein, wenn man auf Kafka hört.

Die Darbietung des 15 Seiten langen Textes beschränkt sich nicht auf einen Vortrag, daraus wurde ein 75 Minuten langes kleines Gesamtkunstwerk. Mitterer wird von den Musikern Juliana und Siggi Haider mit hörbarer Freude am Spiel auf dem Akkordeon und dem Saxofon begleitet. Er singt dazu alte Schlager – besser gesagt, der Schimpanse Rotpeter lässt sich dazu herab, Hits wie „Hoppla, jetzt komm ich!“ oder „Ein Freund, ein guter Freund“ anzustimmen, denn von dem Moment an, als der Protagonist in täuschend echter Maske und mit entsprechenden äffischen Bewegungen auf die Bühne springt, ist er das Tier, das sich all dem menschlichen Wahnsinn fügt, aus plausiblen Gründen für solch ein artifizielles Verhalten: Rotpeter will überleben, die einzige Alternative zum Varieté ist das Gefängnis.

Der Ausweg gelingt ihm dadurch, dass er die Conditio humana imitiert. Nicht nur die Sprache gehört dazu, auch das Spucken, Rauchen, Trinken. Der Affe berichtet der Akademie eine angebliche Erfolgsgeschichte, er blickt zurück auf Jahrzehnte als Menschenimitator, der sich in Serie Dresseure zu Willen macht. Mitterer kostet die Nachahmung bei seinem Vortrag geschickt aus. Vorsichtig rollen die Worte in seinem Mund, nur manchmal mutiert sein Ausdruck zu Meckern, Lachen, Kollern oder gar blanker Angst. Dann brüllt das Tier im Mann und rüttelt an den eisernen Gitterstäben.

Was will uns Kafka sagen? Redet er über Evolution und Anpassung? Über Konformismus kontra Künstlertum? Oder gar über das Fremde und die Integration?
Dankenswerterweise betreibt diese Inszenierung keine Engführung – bis auf Details. Etwa, dass der Affe eine Schlagzeile hochhält, die Hitlers Machtergreifung ankündigt. Wie im Text bleibt vieles offen. Die Freiheit aber, die gibt es für diese literarische Moderne gar nicht, sondern höchstens die Möglichkeit, sich kunstvoll in die Büsche zu schlagen.

Termine: 2., 13., 15. und 16. 2., 20 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2013)

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