Forscher boykottieren Wissenschaftsverlag

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Einem Boykottaufruf gegen Elsevier schlossen sich innerhalb kürzester Frist Tausende an. Dabei geht es um die Preistreiberei am Markt der Journals und den freien Austausch von Information.

„Won't publish, won't referee, won't do editorial work.“ So steht es unter 3307 Namen von Wissenschaftlern, die sich einem Internetaufruf zum Boykott eines der größten Verlage für Wissenschaftsjournale angeschlossen haben: Elsevier. Der gibt über 2500 Journals heraus – darunter so wichtige wie „Cell“ und „Lancet“ –, und er macht Gewinne, von denen andere nicht einmal träumen: 2010 summierten sie sich auf 1,16 Milliarden Dollar, das war ein Drittel des Umsatzes.

Und das ist vielen Forschern und Bibliothekaren schon lange ein Dorn im Auge: Journals sind teuer, und die von Elsevier haben „exorbitant hohe Preise“. So formulierte es Timothy Gowers, Mathematiker in Cambridge und Träger der Field-Medaille – das ist eine Art Nobelpreis für Mathematiker – am 21. Januar in einem Blog, in dem er erklärte, warum er selbst Elsevier schon lange boykottiert. Tyler Neylon, ein Mathematikstudent in New York, bekam dies zu Gesicht und richtete zwei Tage später eine Internetseite ein (thecostofknowledge.com).

Journals gibt es nur „im Bündel“

Dann brach das Buschfeuer los, das zeigt, wie viel Ärger sich aufgestaut hat bei denen, von denen die Journals leben, die unentgeltlich für die Journals arbeiten – als Gutachter und/oder Herausgeber –, und die sie schlussendlich kaufen müssen: In kürzester Frist kamen die Unterschriften der inzwischen – seit Beginn dieses Artikels ist eine Stunde vergangen – 3348 Forscher zusammen, die für Elsevier keinen Finger mehr rühren wollen. Dabei geht es nicht nur um den Preis für einzelne Journals, sondern auch darum, dass viele nur „im Bündel“ erhältlich sind: Wenn ein Universitätsbibliothekar etwa das unentbehrliche „Cell“ abonnieren will, muss er zugleich viele andere Journals abnehmen.

So hält es allerdings nicht nur Elsevier, es ist gängige Praxis bei Wissenschaftsverlagen, darauf weisen viele Unterzeichner hin: Man möge den Boykott ausweiten. Dass er just Elsevier trifft, liegt daran, dass die Firma US-Gesetzesvorhaben unterstützt, die den freien Informationsaustausch einengen sollen. Da geht es um die restriktive Regelung von Urheberrechten, die schon Wikipedia zu einem Streiktag veranlasst haben; und da geht es um den „Research Works Act“: Die Gesundheitsbehörde NIH hat vor langer Zeit durchgesetzt, dass von ihr geförderte und in einem Journal publizierte Arbeiten nach einer Frist frei zugänglich gemacht werden müssen.

Der „Research Works Act“ will das rückgängig machen. Und das geht den Forschern, die vom freien Informationsaustausch leben, dann doch zu weit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2012)

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