Hans-Ulrich Wehler war einer der führenden Historiker Deutschlands. Der Hauptvertreter der "Bielefelder Schule" wurde 82 Jahre alt.
Dass sich professionelle deutsche Denker ins politische Handgemenge mischen ist rar. Einer der wenigen an der vorderen Front war Hans-Ulrich Wehler, der der breiten Öffentlichkeit 1986/87 im Historikerstreit bekannt wurde. Den hatte Ernst Nolte eröffnet, mit der Darstellung des Holocaust der Nationalsozialisten als Reaktion auf den Gulag der Sowjetunion. Dieser Verknüpfung widersprach Wehler höchst energisch, er eilte damit einem alten Bekannten zur Seite, der Nolte des „Revisionismus" zieh: Jürgen Habermas. Den kannte der 1931 in Freudenberg bei Siegen geborene Wehler schon lange, er war mit ihm zur Schule gegangen. Dann hatte er sich der Geschichtswissenschaft zugewandt und wurde nach schwerem Start - seine erste Habilitation war abgelehnt worden, die zweite ging nur in einer Kampfabstimmung durch - einer der führenden Historiker Deutschlands. Er arbeitete vor allem in Bielefeld und entwickelte dort eine kritische Sozialgeschichte, die an Max Weber angelehnt war und eher auf Strukturen sah als auf handelnde Personen. Damit wurde er in seiner Wissenschaft extrem wirkmächtig, und in der Öffentlichkeit wurde er es eben durch seine streitlustigen und oft Debatten anregenden Beiträge zu Themen der Zeitextrem wirkmächtig: Den EU-Beitritt der Türkei etwa lehnte er ab, den Mindestlohn forderte er. Wehler ist, wie jetzt erst bekannt wurde, mit 82 Jahren in Bielefeld gestorben.
Wehlers Hauptwerk
"Deutsche Gesellschaftsgeschichte". 5 Bände, besteht aus:
Band 1: "Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära 1700–1815", 1987
Band 2: "Von der Reformära bis zur industriellen und politischen 'Deutschen Doppelrevolution' 1815–1845/49", 1989
Band 3: "Von der 'Deutschen Doppelrevolution' bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1845/49–1914", 1995
Band 4: "Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949", 2003
Band 5: "Bundesrepublik Deutschland und DDR 1949–1990", 2008
(jl)