Zukunftsmusik? Die vollautomatische Redaktion

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Forbes ist Kunde, Bloomberg auch. Computergenerierte Texte sind in der Medienbranche dem Gedankenexperiment längst entwachsen. Der Redakteur bekommt Konkurrenz vom Rechner.

Das Netz gibt den Medien ein schnelleres Tempo vor, das Informationsmaterial türmt sich, der Wettbewerb wird dichter, das Rennen um Reichweite und Unique Clients desperat. Sind computergenerierte Inhalte die letzte Chance, um am Markt zu bestehen? So sehen es jedenfalls Firmen wie Narrative Science und Automated Insights, sie verwandeln Daten in Texte. Die beiden Unternehmen beliefern mit ihren Algorithmen bereits Nischenmärkte der Medienbranche, im Detail geht es um die Sport-, Immobilien- und Finanzberichterstattung. Beide Firmen versprechen umfassender und objektiver zu sein als jeder Redakteur. Denn kein Mensch hat die Zeit, Millionen Spieltabellen der letzten 50 Jahre zu vergleichen. Für den Computer ist das kein Problem. Verschiedene Medienhäuser in den USA, darunter auch das Wirtschaftsmagazin Forbes und die Agentur Bloomberg binden computergenerierte Inhalte über Börsentrends und Spielstände bereits in ihr Angebot ein. Ihr Hauptmotiv ist die Zeit- und Geldersparnis. Ein Sportbericht ist beispielsweise in nicht mehr als zwei Sekunden geschrieben, 2500 Zeichen kosten zehn Dollar bei Narrative Science.

Kleine Programmfehler

Noch nicht ausbügeln ließen sich ein paar Programmfehler: Zwar schwärmte ein Unternehmensgründer von Narrative Science, Kris Hammond, in einem Gespräch mit der New York Times im März noch, dass sein Content "in weniger als fünf Jahren den Pulitzer-Preis gewinnen werde". Doch wird man in computergenerierten Texten nur jene Informationen finden, die sich auch in Zahlen ausdrücken lassen. Alles andere - Feinheiten der Geschichte, Einschätzungsfragen, Stimmungsberichte - kann der Algorithmus nicht verarbeiten.

Auch die Neigungsgruppe Kreatives Schreiben wird enttäuscht sein, denn die automatisierten Geschichten werden nach wiederkehrenden Mustern gebaut. Außerdem ist denkbar, dass der Algorithmus nach einem kleinen Update den Interessen des Mediums entsprechend, respektive der Anzeigenkunden, verschoben werden kann.

Die urlaubsresistente Text-Maschine

Der Wiener Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell, warnt vor jeglicher Euphorie auf Managerseite: „Mediale Produkte von der Stange werden beim Publikum nur wenig reüssieren. Die Medienbranche lebte schon bisher am besten, wenn sie journalistische Freiheit verteidigte und individuelle Qualität sowie journalistische Persönlichkeit förderte".

Könnten Computer den Journalisten vom Arbeitsmarkt schieben, weil sie schneller, günstiger, urlaubsresistenter sind? Von dieser Vorstellung hält Hausjell nicht viel: „Über künstliche Intelligenz wurde in den letzten Jahrzehnten viel geschrieben, aber deren Ergebnisse sind so bescheiden, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass Robotereinsatz im Journalismus wirklich viel bringt", mögen Verleger auch von „Content Machines träumen: also einer personell möglichst kleinen Redaktion, die für möglichst viele Medientitel gleichzeitig verwertbare journalistische sowie PR-Texte herstellt".

Sonderbeauftragte für Qualitätskontrolle

Bei der Schweizer „Handelszeitung" nimmt man das Thema mit Humor. Diesen Sommer wurde Emiglio angestellt, seine Videos werden regelmäßig gepostet, er ist der Sonderbeauftragte für Qualitätskontrolle der Redaktion. Emiglio ist ein Roboter. „Die Aktion ist natürlich nicht ganz ernst gemeint", nimmt Beat Balzli vorweg, er ist seit Oktober 2010 Chefredakteur der Blatts und war lange Redakteur beim Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel". „Mit Emiglio wollen wir unserem Online-Auftritt, der ja bei einer Wirtschaftspublikation sehr seriös daherkommen muss, auch ein leicht schräges, unterhaltsames Element hinzufügen. Aber selbstverständlich sind die Parallelen zur aktuellen Situation in der Schweizer Wirtschaft leicht zu erkennen. Aufgrund der hohen Kosten treiben viele Industriefirmen den Automatisierungsgrad ihrer Produktion nach oben".

Wäre das auch ein Zukunftsmodell für die finanziell strauchelnde Print-Branche? „Was meine eigene Redaktion anbetrifft, so kann ich mir den Einsatz im redaktionellen Teil noch nicht vorstellen", so Balzli. "Standardisierte Börsenberichte, die sich heute ja bereits 'maschinell' herstellen lassen, sind für uns als Wochenzeitung nicht geeignet. Unsere Artikel müssen fundiert recherchiert und exklusiv sein. Das schafft der Computer (noch) nicht." Professor Hausjell schließt sich an: „Manche Computerprogramme wirken zwar intelligent, aber sie sind bisher nicht so clever wie ihre Erfinder".

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