Europaparlament verteidigt „alte Sorten“

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Die Abgeordneten stimmten fast geschlossen gegen einen Gesetzesvorschlag der EU-Kommission, der Hersteller von traditionellem Obst und Gemüse benachteiligt hätte.

Brüssel/Straßburg. Zurück an den Start heißt es für die EU-Saatgutverordnung: Das Plenum des Europaparlaments hat am gestrigen Dienstag mit überwiegender Mehrheit dafür gestimmt, den umstrittenen Gesetzesentwurf der EU-Kommission (die gemäß EU-Verträgen als Einzige das Recht hat, Gesetzesinitiativen einzuleiten) zu beerdigen. Für die Zurückweisung stimmten 650 Abgeordnete, lediglich 15 waren dagegen. Im EU-Parlament ist das Verfahren damit formal abgeschlossen. Will die Brüsseler Behörde an ihrem Reformvorhaben festhalten, muss sie nun dem Parlament einen völlig neuen Entwurf vorlegen.

Die Arbeiten an der Saatgutverordnung dauern bereits seit 2008 – das Gesetz sollte zwölf bestehende Richtlinien ersetzen und regeln, wer unter welchen Bedingungen Saatgut vermarkten darf. Und genau an der Frage der „behördlichen Zulassung“ von Sorten entzündete sich die Kritik. Denn die Verordnung hätte zu einer massiven Benachteiligung von traditionellen Sorten und kleinen Betrieben geführt und im Gegenzug internationale Agrarkonzerne bevorzugt, so der Grundtenor.

Der von Gesundheitskommissar Tonio Borg forcierte Entwurf hatte vorgesehen, dass alle Pflanzensorten eine behördliche Bestätigung ihrer Markttauglichkeit benötigen würden – dabei geht es darum zu prüfen, ob eine Sorte den Kriterien der Uniformität (punkto Größe, Farbe, Reifung etc.) entspricht, und nicht um die Gesundheitskontrolle und die Zulassung von genetisch veränderten Organismen.

Für sogenannte „alte Sorten“ waren Ausnahmen vorgesehen – solange sie als Nischenprodukte deklariert würden. „Der Industriestandard wäre damit zum Gesetz erhoben, andere Qualitätsstandards hätten keine Chance mehr“, betont Iga Niżnik vom österreichischen Verein Arche Noah, der in seinem Archiv das Saatgut von rund 6500 traditionellen Sorten hat. Ein größer angelegter Vertrieb von nicht uniformem Obst und Gemüse wäre damit ebenso verunmöglicht wie Fortschritte bei der Züchtung – wer nämlich zwei alte Apfelsorten kreuzt, erhält eine neue Sorte, die gemäß Borgs Vorschlag aufwendig und kostspielig zertifiziert werden müsste – für kleinere (Bio-)Betriebe eine kaum überwindbare Hürde. Auch die von der Kommission vorgesehenen Ausnahmen für Saatgut in seiner Ursprungsregion will Niżnik nicht gelten lassen: „Weder der Apfel noch die Tomate kommen ursprünglich aus Europa.“

Lob von Monsanto und Co.

Eingebaut in den Gesetzesvorschlag war noch eine weitere problematische Klausel: Demnach sollte es Landwirten nicht mehr erlaubt sein, Saatgut untereinander zu tauschen. Klarer Gewinner wären jene Konzerne wie Monsanto oder DuPont, die Saatgut verkaufen. Insofern war es nicht verwunderlich, dass die Lobbyisten der Branche im Vorfeld den Entwurf begrüßt hatten.

Auf den glücklosen Initiator der Verordnung ging gestern ein Hagel der Kritik nieder. Einige Abgeordnete forderten Borg gar zum Rücktritt auf, weil er sich bis zur letzten Minute für den Entwurf eingesetzt hatte – Europaabgeordnete Karin Kadenbach (SPÖ) sprach von einem „grenzwertigen“ Auftritt des Gesundheitskommissars. In Österreich wurde die Entscheidung mit Zufriedenheit aufgenommen. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) freute sich per Aussendung über das Votum, die abgelehnte Verordnung hätte seiner Ansicht nach den bürokratischen Aufwand vergrößert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2014)

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