Thalham: Asylwerber sind nur noch selten im Ort

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Thalham (c) Die Presse (Meinhart)
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Asylwerber im Erstaufnahmezentrum West, in Thalham in St.Georgen (OÖ), sorgen für Unbehagen, obwohl sie selten im Ortskern zu sehen sind. Nur einmal im Monat, wenn 40 Euro Taschengeld ausbezahlt werden.

Anders als in Traiskirchen (NÖ) sind hier, in Thalham in St.Georgen im Attergau, (OÖ), nur 124 Menschen aus 14 Nationen untergebracht. In St. Georgen liebäugelt man zwar mit der „Anwesenheitspflicht“, wie sie Innenministerin Maria Fekter (VP) vorgeschlagen hat – obwohl die Asylwerber nur noch selten in den Ort kommen.

Nur einmal im Monat, wenn die 40 Euro Taschengeld an die Flüchtlinge ausbezahlt werden, gehen größere Gruppen die paar Kilometer vom „Lager“, so heißt die Erstaufnahmestelle (EAST) West im Volksmund, in den „Markt“, den Ortskern St.Georgens. Sie kaufen dann Zigaretten, Süßigkeiten oder Alkohol, der im „Lager“ per Hausordnung streng verboten ist. Sie regelt auch die Nachtruhe: Zwischen 22 und sechs Uhr verlassen die Flüchtlinge die Betreuungsstelle am Ortsrand nur in Ausnahmefällen. Verstöße gibt es kaum, Abmahnungen und die Angst vor negativen Auswirkungen aufs Asylverfahren halten die Disziplin hoch.

Programm am Nachmittag. Im Wohnhaus herrscht auch vormittags Stille: Nur hin und wieder gleitet eine der breiten Türen zu den Zimmern mit den metallenen Stockbetten auf, langsam und scheinbar ziellos gehen dann ältere Männer sauber glänzende Linoleumgänge entlang. In Trainingshosen und neben Aschenbechern aus leeren Gemüsekonserven verfolgen die Jüngeren im Gemeinschaftsraum das Sportprogramm. Ein kleiner Fernseher hängt von der Decke, der Ton ist leise, niemand spricht. Am Nachmittag startet dann das Freizeitprogramm: Schach, Malen, Sport, Therapie. Das sei mehr als reine Unterhaltung, sagt Bereuungsstellenleiter Georg Pöllmann: „Wir machen das auch, damit es hier keine Probleme gibt.“ Untätigkeit sei schlecht für die Gruppendynamik. Nachtruhe und Programmangebot sind die Hauptgründe dafür, dass Flüchtlinge das Aufnahmezentrum des Innenministeriums nur noch selten verlassen.

In St.Georgen haben viele Geschäfte um die Mittagszeit geschlossen. Auf den Straßen tut sich wenig, hin und wieder passiert ein Schulbus oder ein Lkw aus Braunau die Durchzugsstraße. Im Markt ist man froh darüber, dass die Asylwerber jetzt nur noch selten kommen. Große Teile der Bevölkerung, angefangen beim Bürgermeister Wilhelm Auzinger (VP), wünschen sich eine generelle Ausgangssperre für die Erstaufnahmezentren. In ihrem Heimatbezirk Vöcklabruck rennt Fekter mit ihrer Forderung nach „Anwesenheitspflicht“ offene Türen ein: Man wisse ja nichts über die Menschen, die hierherkommen, sagt Auzinger, nichts über ihre Krankheiten oder ihre kriminelle Vergangenheit.

„Ich bin sehr dafür“, sagt auch eine junge Verkäuferin in einer Konditorei an der Attergaustraße, an der entlang sich St. Georgens Infrastruktur – Wirtshaus, Bank, Kirche, Gemischtwarenladen – auffädelt. Es sei halt schon zu viel passiert, meint sie. zu viele Diebstähle, zu viele Zwischenfälle. Sie glaubt, man werde nun nicht mehr informiert, wohl um Proteste klein zu halten, aber man höre von denen, die im „Lager“ arbeiten, von Messerstechereien und Alkoholexzessen. Auch geleerte Whiskyflaschen in den hiesigen Supermarktregalen sollen auf die Rechnung der Asylwerber gehen.

Kurt Mayrhofer, Leiter des Einsatzreferats Vöcklabruck und damit auch Chef der Polizeiinspektion St.Georgen EAST, widerspricht: Es gebe wenige, vielleicht ein bis zwei Ladendiebstähle pro Monat, viele verdächtigten dann die Asylwerber, reflexartig. Man müsse das verstehen, sagt Mayrhofer: „Das sind die Ängste der Menschen.“ Ähnliche Ängste, die St. Georgen heute beunruhigen, hat es schon einmal gegeben: 1947 wurde das ehemalige Heim für Kriegsvertriebene in eine Lungenheilanstalt umgewandelt. Damals fürchtete man Ansteckung mit Tuberkulose und mied die Insassen der Heilanstalt.


Lokalsperre. „Die St. Georgener sind nicht ausländerfeindlich. Aber sie haben halt inzwischen die Nase voll von den Asylanten“, sagt Ury Dahman, seit 20Jahren in Österreich. Der 48-Jährige mit arabisch-serbokroatischen Wurzeln steht allein hinter der Theke, vor ihm liegen drei Mobiltelefone und der leere Kalender für Tischreservierungen. Ausländer in Österreich, sagt er, seien den Einheimischen zu viel geworden, deshalb besuchten sie auch sein Lokal nicht mehr. Nun gibt er es auf, zu oft blieben die Tische leer. Dahman freut sich auf den Sommer, darauf, dass sich das nebelige oberösterreichische Seengebiet wie jedes Jahr wieder in eine Tourismusregion verwandelt, auf sein anderes, das gut gehende Lokal direkt am Attersee, und nicht an der Autobahn wie St.Georgen.

(c) Die Presse / GK

Im Lager geht das Leben indes abseits der Saison weiter. Ein Großteil jener, die hier angeschwemmt werden, leide an posttraumatischen Belastungsstörungen, erklärt Betreuungsstellenleiter Georg Pöllmann. Er ist seit 22Jahren im Dienst und hat viele Flüchtlingswellen kommen und gehen sehen: aus dem Kosovo, aus Uganda, Boatpeople aus Vietnam und Kambodscha, Flüchtende der Ungarn- und der Polenkrise. Derzeit kämen vor allem Tschetschenen. Meist gelangen sie schon über Behördenumwege hierher, etwa dann, wenn wieder einmal ein Schlepper auffliegt. Fünf bis zehn Flüchtlinge täglich tauchen aber, ohne zuvor aufgegriffen worden zu sein, vor dem verschlossenen Schranken auf. Oft allein, mit ihrem Koffer unterm Arm. „Asyl“, sagen sie dann meist. Mehr nicht: Es ist das Zauberwort, das die Türen nach Österreich erstmals einen Spalt breit öffnet. „Haus Austria“ – dort ist die Polizeiinspektion untergebracht – heißt die erste Station im offiziellen Asylwerbeverfahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2010)

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