Vom Mythos "Panzerschlacht im Marchfeld" und anderen Österreich-Lügen...

Mythos Panzerschlacht Marchfeld anderen
Mythos Panzerschlacht Marchfeld anderen(c) Foto Bundesheer
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Von Ministern bis Journalisten: In der Debatte um das Bundesheer geben Politiker, Pazifisten und Boulevard-Schreiber erstaunlich viele Dummheiten von sich.

Es ist einer dieser teils parteipopulistischen, teils ideologisch-pazifistischen Mythen, der seit langem gern medial gestreut wird wenn es inhaltlich gegen das (Militärische am) Bundesheer geht: Der Sager von der heute ja angeblich überholten „Panzerschlacht im Marchfeld“. Vom zivilen Verteidigungsminister ebenso wie „seinen“ Offiziere oder seinen 180-Grad-Schwenk unterstützenden Journalisten, wenn es darum ging, die schwere Ausrüstung des Heeres, ja das ganze bestehende Heeresmodell an sich, zu hinterfragen.

Dabei ist dieser Sager in der Tat ein Mythos, denn die Verteidigungsplanung des Bundesheeres sah schon gemäß des Raumverteidigungskonzepts der 1970er und 1980er den raschen Rückzug der Masse des Heeres in die gebirgigen Regionen des Westens und Südens vor, im Vorfeld sollten nur Schlüsselzonen verteidigt und der Feind (also der Warschauer Pakt) durch Hinterhalte, feste Anlagen und Minen gebremst werden. Wien wäre sofort aufgegeben worden, der Einsatz eigener mobiler Kräfte ganz im Osten, mitten in die Wucht der ersten Angriffswelle der Garde-Panzer- und MotSchützendivisionen hinein, war schlicht nie vorgesehen. Ja er sollte ausdrücklich vermieden werden.

"Liebitzky-Plan"

Im letzten „Profil“ finden sich Anhaltspunkte, dass diese Rückzugstaktik schon ganz am Anfang des Bundesheeres stand. Unter Bezugnahme auf eine Arbeit bzw. Auslegung des Historikers Oliver Rathkolb wird dort geschildert, dass im Dezember 1955 „Quasi-Verteidigungsminister“ Emil Liebitzky (ein ÖVP-naher Ex-Offizier, der maßgeblich am Aufbau des Heeres beteiligt war und es de facto führte, als die Verteidigungsagenden noch vom Bundeskanzleramt geführt wurden), wohl mit Wissen von ÖVP-Kanzler Julius Raab und der US-Botschaft in Wien nach Rom fuhr. Dort habe er der italienischen Militärführung den Operationsplan des Bundesheeres übergeben, mit Bitte um Weiterleitung ans Nato-Hauptquartier. (Wenn das stimmt war das zwei Monate (!), nachdem das Gesetz über die immerwährende Neutralität Österreichs unterzeichnet wurde, was bis heute die Herbstluft des Heldenplatzes bewegende „Bekenntnisse“ generiert. . .)

Laut jenem „Liebitzky-Plan“, den man übrigens vor der SPÖ geheimzuhalten versuchte, hätte sich das Heer nach einem Einfall des Warschauer Pakts sofort Richtung Westen auf die Linie Stadt Salzburg – Gmunden – Eisenerz – Leoben – Wolfsberg zurückgezogen und halb Österreich im geografischen Sinn inklusive der Großstädte Wien, Graz und Linz zu Gunsten einer Art „Alpenreduit“ aufgegeben. Nichts also mit der jüngst viel bemühten Panzerschlacht im Marchfeld, ja im Gegenteil: Dem Autor dieser Zeilen liegen Statements vor, nach denen die Regierung in jener Periode (1958) intern beschlossen oder zumindest erörtert hätte, Österreich überhaupt nicht zu verteidigen.

Gepanzerte mobile Luftabwehrsysteme fehlten

Später sah das Raumverteidigungskonzept zwar auch einzelne lokale Gegenstöße auch mit Panzereinheiten vor, speziell im Voralpengebiet und aus Tälern heraus, um den allgemeinen Rückzug zu decken. Doch wären diese Attacken mit früher M47- und später M60-Kampfpanzern sowie Kürassier-Panzerjägern erstens nicht im Marchfeld erfolgt – und zweitens wohl schon auf dem Marsch von der Luftübermacht des Gegners (durch hunderte Jagdbomber wie MiG-23BN, Su-25, SU-22 und Mi-24-Kampfhubschrauber) völlig vernichtet worden. Und im Marchfeld erst recht. Das Bundesheer hat nämlich nie gepanzerte mobile Luftabwehrsysteme als Schutz der eigenen Panzertruppe erhalten, erst ab Mitte der 1980er wurden tragbare bzw. auf Pinzgauer (!) bewegliche Fla-Lenkwaffen vom Typ „Mistral“ beschafft. Und die wenigen schon damals schwer veralteten Flieger wie die „Saab-Tonnen“, die Saab-105er und zuletzt die „Draken“ hätten schon mangels nennenswerter Luft-Luft-Kampfkraft die Bodentruppen nie decken können; sie wären zudem schon zuvor auf ihren Horsten am Boden zerstört worden, weil es in Österreich auch niemals bombensicheren Flugzeugshelter gab (in der Schweiz sprengte man dafür ganze Kavernen in die Berghänge).
Jeder größere Panzereinsatz unseres Bundesheeres wäre also ein sinnloser Opfergang mit überall verstreuten hellgrau-ausgeglühten Wracks gewesen.

Nur wollte dies in der Heeresführung ohnehin niemand. Mangels nennenswerter eigener Luftstreitkräfte wurde dieses Element bei Heeresmanövern sogar auch im Kopf zunehmend einfach ausgeblendet: Bis ins vorige Jahrzehnt hörte in Planspielen der Militärakademie Wiener Neustadt die Welt de facto zwei bis drei Meter über dem Boden auf, darunter marschierten dafür irgendwelche Kolonnen zu dieser und jener zu nehmenden Höhe, riesige Staubfahnen weit in die Luft wirbelnd. Schon taktisch völlig unrealistisch.

Konzept fand Gefallen der Nato

Wieso nun diese „Panzerschlacht“ derzeit immer noch bzw. immer wieder als „überholtes Modell“ die offensichtliche Lächerlich- und Sinnlosigkeit großer Bereiche eines „echten“ Heeres verbundener Waffen illustrieren soll, ist rätselhaft und zeugt auch von ebenso lächerlich wenig Sachkenntnis über die Geschichte unserer Zweiten Republik. Das Konzept gab es einfach nie.

Im Übrigen saßen in den Panzern sowieso keine einfache Grundwehrdiener sondern Zeit- und Berufssoldaten. Wie auch bereits heute. Die Männer mit den schwarzen Baretten SIND Profis, ganz ohne Berufsheer.
Der Nato habe, so wird Rathkolb zitiert, das Rückzugskonzept der Österreicher durchaus gefallen, weil damit die Nordgrenze Italiens zumindest vorübergehend gesichert und die strategisch wichtige Verbindung zwischen Deutschland und Italien durch Tirol durch das Bundesheer abgeschirmt worden wäre. Bei einem Besuch in Washington habe der spätere erste Verteidigungsminister der Zweiten Republik, Ferdinand Graf (1956-61), ein Kärntner, dann eine komplette elektronische „Lauschstation“ als „Geschenk“ bekommen, sie wurde auf der Königswarte bei Hainburg aufgebaut und mit Bendix-Technik ausgestattet. Bis zum Ende des Ostblocks belauschte die österreichische Fernmeldeaufklärung von dort aus den Funkverkehr in Osteuropa. Die Bänder seien umgehend an die in Frankfurt (richtiger wäre wohl Bad Tölz bzw. Bayreuth) darauf wartenden US-Kollegen bzw. den deutschen BND gegangen.

Auch hier wieder der in unserer „genialen“ Befragung vom 20. Jänner nicht vorkommende Hinweis auf die gelebte Realität unserer erst neulich wieder im ORF-Bürgerforum allseits mit belegter Stimme betonten Neutralität. Der Autor dieser Zeilen ist diesbezüglich überzeugt, dass man sich diese etwas tiefere und rauere „Neutralitätsstimme“ auf Knopfdruck antrainieren kann. . .

Den Warschauer Pakt, der das mit dem Lauschposten und vieles andere natürlich wusste, hätte Österreichs Neutralität bzw. der Umgang damit jedenfalls genau einen Tag lang interessiert. Mir hat ein Offizier eines tschechischen Schlachtfliegerregiments etwa 1992 im ostböhmischen Pardubice die (nun gottlob obsoleten) Zielkarten des Warschauer Pakts mit Primär- und Sekundärzielen gezeigt. Und das Sekundärziel jener 30 Suchoi Su-25 „Frogfoot“-Tiefflieger des Regimentes war: der Brenner!

Luftlandetruppen der Nato

Der Warschauer Pakt ging nämlich davon aus, dass im Kriegsfall die Nato US-Luftlandetruppen einsetzen würde, um Brenner und Inntal zu sichern. Man hätte genau einen Tag lang zugesehen, ob das neutrale Bundesheer die gelandete US-Airborne bekämpft hätte – was so schnell aber fast unmöglich gewesen wäre, denn als Grundregel gilt, dass man dafür eine doppelte Überlegenheit braucht. Nur mit welchem Transportraum sollte das Heer in Tirol binnen weniger Stunden welche Kräfte auftreiben? (Tiroler Schützen vermutlich nicht.)

Also hätten sich, erzählte der tschechische Offizier, die Ostblockluftwaffen darum gekümmert. Und das hätte auch den Einsatz taktischer Nuklearwaffen bedeuten können. Jedenfalls hätten sich die tschechischen Piloten das Sekundärziel Brenner als Auftrag geradezu herbeigesehnt: Von den Primärzielen, den schwer verteidigten Fliegerhorsten der Nato in Bayern, wären nämlich nur wenige zurückgekehrt, da hatten die Männer keine Illusionen. Der weiter entfernte Brenner aber wäre ein Paradies für sie gewesen: Keine Luftabwehrraketen, alte Saabs. . .

Eben ein Gegner, der sich – bis heute – selbst nie ernst nehmen wollte und dies seiner Bevölkerung erfolgreich eingeimpft hat. All die beschriebene Thematik blieb öffentlich ausgeblendet – und guat is' gangen, nix is g'schehn! Ebenso verhält sich die politische Führung heute in der unerquicklichen Thematik der Teilnahme an Abwehrsystemen gegen ballistische Raketen. Nur so ist zu erklären wieso sich boulevardeske Politiker 2013 ernsthaft trauen, uns zu befragen, ob man mit 0,6 Prozent Verteidigungsbudget eine Berufsarmee machen oder Rekruten Abenteuerurlaube bieten solle!

Begriffe wie „Profi-Miliz“, „bezahlte Freiwilligkeit“ etc. illustrieren in Wahrheit unser verwüstetes Marchfeld im Kopf. „AEIOU“ war einst das kaiserliche Motto Österreichs: „Alles Ernsthafte Immer Ohne Uns“ könnte man noch heute sagen.

Der Autor ist Österreich-Korrespondent des internationalen Militärfachmagazins "IHS Jane's Defence", der Text wurde redigiert von Wolfgang Greber.


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