London will nur EU-Bürger mit Jobs

(c) REUTERS (NEIL HALL)
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Die britische Regierung fordert ein Ende des freien Personenverkehrs in der EU. Künftig sollen sich nur jene ansiedeln können, die schon eine fixe Arbeit haben.

London. Die britische Regierung fordert ein Ende des Prinzips des freien Personenverkehrs in der Europäischen Union. Diese Grundfreiheit soll auf Menschen beschränkt werden, die wegen eines Jobs das Land wechseln, aber nicht für Menschen gelten, die auf Arbeitssuche sind oder Sozialhilfeanträge in reicheren Staaten stellen wollen, schrieb Innenministerin Theresa May in der gestrigen „Sunday Times“.

Die Flüchtlingskrise sei „durch das europäische Schengen-System noch verschlimmert worden“. Großbritannien hat das Schengener Abkommen, das den schrittweisen Abbau von Grenzkontrollen zwischen Mitgliedstaaten festlegte, nicht unterfertigt.

Magnet für ärmere EU-Bürger

Nach den jüngsten Zahlen hat Großbritannien allein zwischen März 2014 und März 2015 eine Nettozuwanderung von 330.000 Menschen verzeichnet – einen Zuwachs von 28 Prozent im Jahresvergleich. Der Großteil der Migranten reist legal aus der EU ein. Nach dem Prinzip des freien Personenverkehrs darf sich jeder EU-Bürger bis zu drei Monate legal in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten. Mit einer wachsenden Wirtschaft, einem flexiblen Arbeitsmarkt und einem fehlenden Meldegesetz wirkt Großbritannien wie ein Magnet für viele ärmere Länder.

Selbst die britischen Behörden wissen nicht, wie viele Ausländer im Land leben. Das Oxford Observatory for Migration veröffentlichte diese Woche eine Untersuchung, wonach mittlerweile acht Millionen Menschen in Großbritannien leben, die nicht im Land geboren wurden. Die offizielle Einwohnerzahl liegt bei 64,1 Millionen. Innenministerin May bezeichnete die Einwanderungszahlen als „viel zu hoch“ und „einfach nicht mehr verkraftbar“.

Während Großbritannien scharfe Restriktionen gegen Nicht-EU-Bürger erlassen hat, ist das Land gegen die Einwanderung aus der Union machtlos. So hat sich allein die Zahl der registrierten Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien mehr als verdoppelt. Während sich die Wähler empört zeigen, erfreut sich die britische Wirtschaft an billigen Arbeitskräften. „Wir müssen hier mächtigen Lobbys den Kampf ansagen“, schreibt May. Wer in Großbritannien Arbeit gefunden hat, kann beispielsweise Kinderbeihilfe beziehen, auch wenn die Familie gar nicht im Land ist.

Die Migrationsproblematik ist ein Kernthema in den Verhandlungen der britischen Regierung über eine Neuordnung ihrer EU-Mitgliedschaft. May bezeichnete die Ansicht, dass es in einem Europa der offenen Grenzen keine Kontrolle der Einwanderung geben könne, als „defätistisch und falsch“. Stattdessen forderte sie: „Wir müssen zu dem Prinzip in der Form zurückkehren, wie es eigentlich gemeint war, nämlich als Freiheit, zu einer Arbeit zu ziehen, und nicht, die Grenze zu überschreiten, um eine Arbeit zu suchen oder Sozialhilfe zu beantragen.“

Die Briten werden bis spätestens Ende 2017 in einer Volksabstimmung über den Verbleib in der EU entscheiden. Die Migrationsfrage gilt dabei als entscheidend.

Nur 187 Syrer erhielten 2015 Asyl

Ebenfalls überwältigt ist Großbritannien von der Flüchtlingsfrage, wenngleich das Land hier einen rigorosen Kurs verfolgt. Auf offiziellem Wege haben 2015 nur 187 Flüchtlinge aus Syrien Asyl erhalten.

Aufgrund der Insellage und rigoroser Kontrollen des Eurotunnels ist Großbritannien für Asylwerber schwer erreichbar. In Nordfrankreich versuchen tausende Flüchtlinge über den Ärmelkanal zu gelangen. May: „Die Ereignisse dieses Sommers haben gezeigt, dass die schlimmsten Folgen eines kaputten europäischen Einwanderungssystems von jenen getragen werden, die vor dem Risiko der Ausbeutung stehen. Und die größten Nutznießer sind feige Banden, die falsche Träume verkaufen und sich dafür die offenen Grenzen in der EU zunutze machen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2015)

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