EU entscheidet über Deckelung bei Agrosprit

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Laut Kritikern wird die sogenannte "indirekte Landnutzung" von Agrosprit oft übersehen.

Wien. Ruhig ist es in letzter Zeit geworden um den Agrosprit. Vor etwas mehr als zehn Jahren kamen Rapsmethylester und Ethanol als Ersatz für Diesel und Benzin erstmals großflächig auf den Markt. Geschickt als Biosprit vermarktet, versprachen die Treibstoffe aus landwirtschaftlicher Produktion eine CO2-freie Alternative zu ihren fossilen Pendants, mehr Energieunabhängigkeit von Ländern des Nahen Ostens oder Russland und als Nebeneffekt auch eine zusätzliche Einkommensschiene für die Landwirtschaft.

Im Jahr 2008 wurde der Agrosprit dann auch zum integralen Teil der europäischen Klimaziele. Bis 2020 sollen demnach zehn Prozent der in Europa verwendeten Treibstoffe aus erneuerbarer Energie stammen. Gedacht war dabei erneut vor allem an Biodiesel und den Benzinersatz Ethanol. Doch dann kam zunehmend auch Kritik an den Treibstoffen auf: Sie würden vielfach nicht nachhaltig in Entwicklungsländern produziert werden und die globalen Nahrungsmittelpreise treiben. „Teller oder Tank“ wurde zum Schlagwort dieser Debatte. Im Jahr 2012 verabschiedete die EU-Kommission daher einen Vorschlag, der Agrosprit in europäischen Autotanks auf fünf Prozent beschränken sollte.

Länder gegen strengeren Deckel

Von einigen Mitgliedsländern wurde dieser Vorstoß jedoch zurückgewiesen. Vor allem Polen, Ungarn, Frankreich oder die Slowakei befürchteten, mit einem zu niedrigen Deckel ihre Verpflichtungen hinsichtlich erneuerbarer Energie an den Treibstoffen nicht mehr erreichen zu können. Nach langen Verhandlungen einigte man sich im Vorjahr also auf einen Deckel von sieben Prozent. Anteile, die darüber liegen sind nicht verboten, dürfen für das Erneuerbaren-Ziel aber nicht angerechnet werden.

Heute, Dienstag, entscheidet der Umweltausschuss des EU-Parlaments über den erzielten Kompromiss. Erst wenn dieses zugestimmt hat, wird daraus eine verpflichtende Regelung für ganz Europa. Eigentlich sind die Parlamentarier auf der Seite der EU-Kommission und hätten lieber eine noch stärkere Reglementierung. Es wird jedoch angenommen, dass sie dem Kompromiss zustimmen, um überhaupt einen Deckel zu bekommen.

Für Österreich würde das bedeuten, dass der heimische Anteil an Agrosprit in den kommenden Jahren nur mehr geringfügig steigen würde. 6,2 Prozent des hierzulande in den Automotoren verbrannten Treibstoffes kommen bisher vom Feld. Bei Diesel beträgt der durchschnittliche Anteil sieben Prozent, bei Benzin sind es fünf Prozent. Rechnet man die Elektromobilität hinzu, hat Österreich sogar 7,5 Prozent Erneuerbare im Verkehr. Deutlich mehr als der EU-Schnitt von 5,4 Prozent.

Laut heimischen Agrosprit-Kritikern gibt es daher auch keinen Grund für einen weiteren Ausbau – etwa durch die Anhebung des Ethanol-Anteils im Benzin auf zehn Prozent, wie ihn im Vorjahr Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (wieder) ins Gespräch brachte. „Im direkten Vergleich von einer fossilen Energieeinheit mit einer Energieeinheit Agrosprit ergibt sich im Schnitt eine CO2-Einsparung von nur 17 Prozent“, sagt dazu Christian Lauk vom Institut für Soziale Ökologie von der Universität Klagenfurt vor Journalisten. Dies habe eine neue Studie britischer Forscher ergeben, die neben der Erzeugung, dem Transport und dem Verbrauch beider Treibstoffe auch die sogenannte indirekte Landnutzung einberechnet hat. Ein Faktor, der in der bisherigen Diskussion häufig übersehen worden sei.

Vor allem bei Diesel Probleme

Indirekte Landnutzung bezeichnet die Verdrängung von Nahrungsmittelproduktion auf bis dahin landwirtschaftlich unbenutzte Grünland- und Waldflächen, weil auf den bisherigen Agrarflächen Pflanzen für die Treibstoffproduktion angebaut werden. Dies sei vor allem bei Biodiesel ein großes Problem, für den die Rohstoffe hierzulande zu vier Fünfteln importiert werden müssten. Eine weitere Steigerung könnte nur durch Importe erreicht werden.

Etwas anders sieht die Situation bei Ethanol aus, das von der Agrana in Pischelsdorf erzeugt wird. Dort entsteht schon heute die doppelte Menge dessen, was in Österreich verbraucht wird. Allerdings liegt auch hier die Importquote des Rohstoffes zwischen einem Drittel und der Hälfte. Importiert wird hierbei jedoch nicht Palmöl aus Indonesien sondern Weizen aus Tschechien. Österreich könnte hier also eine Steigerung aus eigener Kraft schaffen. Dies würde jedoch Lücken bei den heutigen Exportmärkten öffnen, die anderweitig wieder geschlossen werden müssten, so die Kritiker.

AUF EINEN BLICK

Das EU-Parlament entscheidet heute, Dienstag, über eine Begrenzung von Agrosprit am gesamten Treibstoff auf sieben Prozent. Anteile, die darüber liegen, werden demnach zwar nicht verboten, können aber für die Klimaziele nicht angerechnet werden. Die EU-Kommission wollte einen niedrigeren Deckel, die Länder waren dagegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2015)

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