Verschleiert: Ein Phänomen regt auf

(c) APA (Roland Schlager)
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Mit dem Fall Mona S. wurde ein verhülltes Frauen-Gesicht zum Medienereignis. Doch abseits des Terror-Prozesses sind verschleierte Frauen auf den Straßen kaum zu sehen – geschweige denn am Arbeitsmarkt.

Eine Frau mit Gesichtsschleier steht im Mittelpunkt der medialen Wahrnehmung – und prägt damit auch das Bild muslimischer Frauen entscheidend mit. Doch repräsentativ für Musliminnen in Österreich ist Mona S., Angeklagte im Terrorprozess, der heute in die nächste Runde geht, nicht. „Das ist eine Randerscheinung“, sagt Andrea Saleh, Frauenbeauftragte der Islamischen Glaubensgemeinschaft.

„Durch Mona S. wird das fokussiert“, meint sie, „aber in Wirklichkeit hat der Schleier keine große Bedeutung.“ Bei den wenigen vollverschleierten Frauen im Stadtbild handelt es sich meist um begüterte Touristinnen aus arabischen Ländern, die „vor allem im Sommer“ kommen, wie Hotel-Imperial-Sprecherin Petra Engl-Wurzer erklärt. Bei gläubigen österreichischen Muslimas gilt hingegen das Kopftuch als Konsens.

Ein Konsens mit Ausnahmen. Amina Gouda trug acht Jahre lang einen Niqab, ehe sie ihn wieder ablegte – aus pragmatischen Gründen: „Ich musste Geld verdienen“, erzählt die 35-Jährige, die als Lehrerin für Informations- und Office-Management an der Islamischen Fachschule für Soziale Bildung beschäftigt ist. In der Arbeit, im gesamten gesellschaftlichen Leben wäre der Schleier ein Hindernis gewesen, meint sie.

„Schleier runter, wo man muss“

Aber auch, als sie ihr Gesicht verschleierte, gab es immer wieder Situationen, in denen sie es dennoch zeigte – dort, wo es nicht anders ging: „Auf der Bank habe ich den Schleier hochgehoben“, erzählt sie. Schließlich müssten die Bankangestellten ja wissen, wer da Geld abhebt. Und auch vor Gericht hätte sie den Schleier abgenommen. Obwohl sie ein gewisses Verständnis hat, dass Mona S. auf stur geschaltet hat, als sie der Richter aufgefordert hat, den „Fetzen aus dem Gesicht“ zu nehmen.

Unangenehm sei ihr der Niqab nie gewesen. Im Gegenteil: „Das Wissen, dass man sich im Glauben festigt, ist etwas Spirituelles“, sagt sie. Nachdem sie im Alter von 18Jahren einen Ägypter geheiratet hatte und ein Jahr später zum Islam konvertiert war, sei das Bedecken des Gesichts für sei ein persönlicher Schritt gewesen, um zu Gott zu finden. Ihr Mann sei damit gar nicht so glücklich gewesen. Ob ihr der Schleier jetzt fehlt? „Ganz ehrlich, ja.“

Diskriminiert hat sie sich wegen der Verschleierung jedenfalls nie gefühlt. Im Gegenteil. Dadurch, dass sie mit Nichtmuslimen offen über ihre Motive redete, habe sie sogar – durchaus vorhandene – Berührungsängste abgebaut.

Berührungsängste, mit denen der Großteil der Bevölkerung aber kaum konfrontiert wird. „Bei uns wurde noch keine Frau mit Ganzverschleierung betreut“, sagt Susanne Rauscher, Sprecherin des Arbeitsmarktservice Wien. Ingrid Moritz, Leiterin der Frauenabteilung der AK, bestätigt: „Es sind ganz wenige und sie sind sehr weit weg von der Gesellschaft.“

Bei einschlägigen Beratungsstellen – dem Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern, der Rassismusbeobachtungsstelle Zara oder dem Dokumentationsarchiv für Islamophobie – hat man bis dato ebenfalls keine Beschwerden verschleierter Frauen notiert.

„Mit einem Kopftuch ist es schon schwer, einen Job zu finden“, sagt Volker Frey vom Klagsverband. „Ich habe noch nie von Unternehmen gehört, bei dem sich verschleierte Frauen beworben hätten.“ Falls solche Frauen berufstätig sind, glaubt Frey, dann in „ethnischen Ökonomien“ – also migrantischen Wirtschaftsbetrieben. Falls. Denn die Vermutung liegt nahe, dass jene Frauen aus weltanschaulichen Gründen gar nicht arbeiten wollen. Andrea Saleh von der Glaubensgemeinschaft hat eine weitere Vermutung: „Das Tragen des Schleiers kann auch nur eine Phase sein, die einige Frauen durchlaufen.“ Ist der Niqab wieder abgenommen, bleibt nichts zurück, was daran erinnert.

Gut möglich, dass auch Mona S. irgendwann keinen Schleier mehr tragen wird. Für sie könnte es dann sogar von Vorteil sein, dass man ihr Gesicht während des Prozesses nicht gesehen hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2008)

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