Frühlingsball für die Krebshilfe: Leben für den Chef

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Symbolbild(c) FABRY Clemens
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Engagement. „Dancer against Cancer“-Erfinder Matthias Urrisk im Gespräch mit der "Presse" über den Frühlingsball, den Besuch von Al Bano Carrisi und den Tod seiner ältesten Schwester im Mai 2005.

Es sei kein Geheimnis, sagt Matthias Urrisk, aber lange habe er es aus Selbstschutz versteckt: Dass er, wenn er in der Wiener Hofburg gemeinsam mit Tanzschulchefin Yvonne Rueff den Frühlingsball „Dancer against Cancer“ organisiert, sehr persönliche Erfahrungen damit verbindet.
Im Mai 2005, „mit knapp 34, im gleichen Alter, in dem ich jetzt bin“, starb Urrisks älteste Schwester an Krebs.

Das hatte dabei recht direkt die Gründung der Charity-Veranstaltung zur Folge, die nächste Woche zum 6. Mal stattfindet: 2006 war, zum 40. Jubiläum der Tanzschule und zum 30. des Balls, der letzte traditionelle Rueff-Ball über die Bühne gegangen. „Den zu toppen“, sagt Urrisk, künstlerischer Leiter der Tanzschule, wäre nicht finanzierbar gewesen. Im Sommer hatten Urrisk und Rueff die Idee, „etwas Soziales“ zu machen. Urrisk hatte da, nach einem Jahr des bloßen Funktionierens, „den Erstschock überwunden. Und mir war klar:  wenn, dann etwas zum Thema Krebs.“

Man schrieb Locations an – und bekam vom Austria Center kurz darauf die Zusage. „Zu diesem Zeitpunkt hatten wir nichts, keine Künstler, keine Musiker, keine Tickets. Wir wussten zwar, wie ein Ball funktioniert, aber mussten erst einmal schnorren lernen.“

Inzwischen können sie das ganz gut; der Ball ist mittlerweile so groß, dass er seit drei Jahren wieder „daheim“ in der Hofburg stattfindet und immer mehr Geld abwirft. Das findet Urrisk zwar „schön“, eigentlich gehe es ihm aber um etwas anderes: „Zu vermitteln, dass man kein Aussätziger ist, wenn man Krebs hat, dass man nichts dafür kann und dass es Leute gibt, die für einen da sind, wenn man Hilfe braucht.“ Die Krebshilfe nämlich, die vom Erlös der Veranstaltung profitiert. 70.000 Euro waren es zuletzt; verwendet werden sie etwa für mobile psychologische Betreuung, die dadurch wieder zum Leben erweckt werden konnte.

Urrisk selbst hatte, „Gott sei Dank“, selbst ein ausreichend enges Netz. Und ist rückblickend „froh, dass wir katholisch aufgewachsen sind. Das gibt einem schon eine gewisse Haltstruktur. Wir hatten auch immer einen grandiosen Hauspfarrer, mit dem man reden konnte, der eine philosophisch-theologische Sicht der Dinge hat.“ Auch sein Schwager, ein klinischer Psychologe, half ihm zu verstehen, was in seiner Schwester vorging – und in ihm selbst. „Ich musste erst lernen, Hilfe zuzulassen. Bis dahin hab ich bei allem gedacht: Das schaff ich allein. Die Diagnose haut einen eh schon um – und dann hat man noch das Gefühl, man muss die Hosen runterlassen. Das ist schwer. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen Schwäche einzugestehen nicht gerade modern ist.“
Vor zwei Jahren entstand die Idee zum „MyAid Award“, der Personen würdigt, die sich „mit Leib und Seele der Sache widmen“. Erste Preisträgerin war Fran Drescher, Kindermädchen aus der US-Serie „Die Nanny“, die selbst betroffen war und eine Krebshilfeorganisation gegründet hat. Plangemäß hätte sie heuer, zwei Jahre danach, selbst den Preis überreichen sollen. Weil sie verhindert ist, kommt ihr einstiger TV-Angebeteter und Arbeitgeber: „Mr. Sheffield“ Charles Shaughnessy. Mittwochabend kam auch das O. K., dass es Al Bano Carrisi für ein paar italienische Lieder nach Wien schafft. „Er hat am Abend Zeit, aber woher er kommt und wohin er muss, und ob sich das alles ausgeht“, das hat sich davor fast täglich geändert. Auch Carrisi ist ein Betroffener, der aber nicht gern darüber spricht.

Urrisk hat es gelernt, „denn darum geht es ja. Dass man nicht drum herumredet, weil es 80 Prozent von uns in irgendeiner Form betrifft.“ Er sei dankbar, „dass ich das, was passiert ist, nicht nur hingenommen habe, sondern für mich etwas daraus gemacht habe.“ Den Ball, aber nicht nur. Kurz vor ihrem Tod habe er seiner Schwester noch erzählt, womit seine Tage ausgefüllt sind. „Und wann lebst du?“, habe sie ihn gefragt. „Das“, sagt er, „hat gesessen.“ Bis heute begleite ihn dieser Satz. Er ist der Grund, warum er den Ostersonntag nicht mit Arbeit für den Ball, sondern mit der Familie verbringt. Ob er an ein Leben auch nach dem Tod glaubt? Ja, sagt er. „Seit sie gestorben ist, ist sie mir immer am nächsten gewesen.“

Auf einen Blick

„Dancer against Cancer“ ist ein Frühlingsball, der aus dem ehemaligen Rueff-Ball entstanden ist. 2007 fand er erstmals im Austria Center statt, seit 2010 in der Hofburg – heuer am 14. April. Organisiert wird er von Tanzschulchefin Yvonne Rueff und ihrem künstlerischen Leiter Matthias Urrisk. Eröffnet wird u. a. mit den ORF-Dancing-Stars, Teil des Showprogramms ist ein Tanzturnier mit Profis und allerlei Prominenten. Al Bano Carrisi singt, „Mr. Sheffield“ Charles Shaughnessy überreicht den MyAid-Award. Tickets kosten 55 Euro.
www.danceragainstcancer.at

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