"Den 'Figaro' machen zu dürfen ist eine Gnade"

Marco-Arturo Marelli
Marco-Arturo Marelli c Barbara Palffy/Volksoper
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Marco-Arturo Marelli, der der Volksoper seit fast 40 Jahren treu ist und dort vor 23 Jahren erstmals Regie geführt hat, präsentiert eine rundum erneuerte Inszenierung der Mozart-Oper.

Es sollte eine Wiederaufnahme werden. Wir wollten die Dekorationen neu aufbauen, aber es hat sich bald herausgestellt, dass man nicht einfach anknüpfen kann, wo man vor einem knappen Vierteljahrhundert aufgehört hat. So habe ich ein ganz neues Bühnenbild entworfen, habe alle Erfahrungen einfließen lassen, die ich in den vergangenen 23 Jahren mit dem Stück gewonnen habe.“

Marco-Arturo Marelli, seit seiner ersten Volksopernregiearbeit („Così fan tutte“) einer der meistbeschäftigten und beliebtesten Regisseure in Wiens Opernhäusern, lässt seine Wiener Vergangenheit Revue passieren. Immerhin feiert er bald sein Vierzig-Jahr-Jubiläum. „1973 habe ich als Assistent an der Volksoper angefangen“, erzählt er, „und ich bin dem Haus treu geblieben.“ Und umgekehrt: Die Volksoper hatte Marellis Da-Ponte-Trilogie über Jahre auf dem Spielplan. „Figaros Hochzeit“, „Don Giovanni“ und „Così fan tutte“ in deutscher Sprache, das bedeutete für viele Musikfreunde die Chance auf eine prägende Erstbegegnung mit diesen Meisterwerken.

Nun kommt „Figaro“ wieder – rundum erneuert und in neuen Dekors, die Marelli, wie gewohnt, selbst entwirft. „Es ist“, verrät er, „eine Konzentration auf das Wesentliche geworden, eine Vereinfachung, wenn man so will.“ So spricht einer, der alle Facetten des Regiehandwerks erlernt und ausprobiert hat – und der, wie alle bedeutenden Vorgänger, gemerkt hat, dass in der Reduktion der wahre Reichtum liegt; und vor allem: dass in dem Libretto schon alles steht und der Regisseur nicht viel hinzuzuerfinden braucht, um eine spannende Geschichte zu erzählen.

„Der Figaro“, sagt Marelli, „ist ein Werk über die Ablöse einer alten Zeit. Er ist in einem Schloss in Sevilla im letzten Drittel des 18.Jahrhunderts angesiedelt – und so funktioniert die Geschichte auch am allerbesten.“ Sie entfaltet im Originalambiente sozusagen ihre Allgemeingültigkeit. „Figaro und Susanna kämpfen um ihre Selbstbestimmung, um unbeschadet in ihre Ehe gehen zu können. Dieser Kampf interessiert mich.“

Marelli hat Bilder aus der Zeit gefunden, die diesen im symbolischen Sinne durchaus „titanischen“ Kampf auf eindringliche Weise darstellen. Diese Bilder hat er in die Optik seiner Inszenierung einfließen lassen, die im Wesentlichen „in einem runden Raum“ spielen wird, weil man da, so Marelli, „die Figuren weniger klar verorten kann“, wie sich's für ein Seelenverwirrspiel gehört...

„Die Handlung in ihrer Zeit belassen“

Dass „Figaros Hochzeit“ in der Zeit knapp vor der Französischen Revolution spielt und nicht irgendwann sonst, versteht sich für Marelli mittlerweile von selbst: „Ich habe eine lustige Geschichte erlebt, als ich den ,Figaro‘ mit Studenten einstudiert habe. Die jungen Leute waren es, die darauf gedrängt haben, das Stück unbedingt historisch genau zu zeigen, weil sie gespürt haben, dass die Problematik sich nur dann wirklich aufzeigen lässt, wenn man die Handlung in der Zeit belässt.“

Der Respekt vor dem „genialen Libretto“ Lorenzo Da Pontes schwingt bei Marelli mit: „Es ist in Wahrheit eine Gnade, dieses Stück wieder machen zu dürfen.“ Und: „Als ich jung war, konnte ich Stücke völlig auseinandernehmen und fühlte mich wohl dabei! Heute denke ich oft, dass meine Arbeit ja gar nicht möglich wäre, wenn die Stücke nicht wären. Und, dass ich nicht mehr irgendwelche Späße machen muss, um zu beweisen, wie jung ich bin...“

Die Theaterleidenschaft Marellis begann in jugendlichem Alter – und nicht alltäglich: Die ältere Schwester, die oft auf den Bruder aufpassen sollte, fand bald heraus, dass ihr besonders lange Wagner-Opern Freiraum verschaffen konnten, solange der Bub still auf einem hinteren Logenplatz saß. So kam er schon als 13-Jähriger in den Genuss von „Tristan“ oder „Parsifal“. Die Lust an der Oper entfaltete sich dann stufenweise. Als Jugendlicher stand Marelli als Statist auf der Bühne. Danach verdingte er sich als Allrounder hinter den Kulissen. Seit den frühen Siebzigerjahren war Marelli im Theater beschäftigt: „Als Regieassistent hatte ich jeden Abend Dienst, man beschäftigt sich da mit allem, auch mit der Frage, ob die Stühle neu bezogen werden müssen.“

Günter Schneider-Siemssen wollte ihn an die Staatsoper holen, doch August Everding war schneller und bot einen Assistentenjob an der Hamburgischen Staatsoper. Dort wurde aus Marelli ein viel beschäftigter Bühnenbildner. Gleich für den zweiten Abend der noch jungen Ära von Ballettchef Neumeier entwarf er die Dekorationen. „Ich habe viel Glück gehabt“, bekennt er im Rückblick. „Viel gelernt habe ich in der Ära von Michael Gielen in Frankfurt. Das war ein echter Aufbruch.“

Dass seine erste Regiearbeit für die Volksoper, besagte „Così“, ein so durchschlagender Erfolg wurde, sicherte Marelli eine dauerhafte Position. Mentor Eberhard Waechter, damals Chef des Hauses am Gürtel und designierter Staatsoperndirektor, sorgte auch dafür, dass die Übersiedlung an die Ringstraße vorbereitet wurde. Die mittlerweile vorletzte Produktion von Hindemiths „Cardillac“ war dort ein Riesenerfolg – wie späterhin die meisten Premieren, wenn der Name Marelli auf dem Plakat aufschien.

Nicht nur Mozart, auch Puccini

Die Staatsoper wird kommende Spielzeit eine Novität bieten: Marelli inszeniert Puccinis „Mädchen aus dem goldenen Westen“ mit Nina Stemme und Jonas Kaufmann unter Franz Welser-Möst. „Ich freue mich auf Puccini, nach viel Richard Strauss in den vergangenen Spielzeiten. Ich inszeniere in Stockholm auch die ,Turandot‘, die später ans Opernhaus Graz übernommen wird.“

Dass „Figaro“ in der Volksoper selbstverständlich wieder auf Deutsch gespielt wird, findet Marelli – apropos Italianità – ganz wunderbar: „Die Tatsache, dass man heute überall Oper in Originalsprache spielt, führt ja auch dazu, dass viele Leute den Text nicht verstehen. Wenn man an einem solchen Stück arbeitet, garantiert aber die deutsche Sprache, dass man auch beim Inszenieren jedes Detail ernst nimmt und sich mit der Frage beschäftigt, wo welches Papier liegen muss. Und das wiederum führt dazu, dass wir sehr viel Spaß bei den Proben haben.“ Die Komödie entfaltet all ihre Reize schon in der Vorbereitungsphase.

Mozart: „Die Hochzeit des Figaro“, Premiere: 25.November. Regie: Marco-Arturo Marelli, Dirigent: Dirk Kaftan.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2012)

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