Die Industrieländer schlagen zurück

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Japan will Freihandelsverträge mit der EU und den USA. Ein riesiger Handelsblock demokratischer Länder könnte entstehen. Das soll den Einfluss Chinas begrenzen.

Tokio. Ein Freihandelsabkommen zwischen Japan und der EU scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. In einem gemeinsam verfassten Papier bekundeten die Verhandlungsführer am Anfang dieser Woche, dass die weltweit größte Wirtschaftszone und die drittgrößte Volkswirtschaft schon im April offizielle Gespräche aufnehmen werden. So eine Freihandelszone wäre die bisher größte der Geschichte. Die Europäische Kommission schätzt, dass Exporte nach Japan um ein Drittel steigen würden und 400.000 neue Arbeitsplätze entstünden. Japan verspricht sich vor allem im Automobil- und Elektroniksektor Möglichkeiten. Für Konsumenten dürften zudem die Preise sinken, außerdem dürfte die Produktvielfalt steigen. Ein Drittel der Weltwirtschaft wäre direkt betroffen.

Gleichzeitig aber kann es gut sein, dass das Abkommen bis zum Abschluss der Verhandlungen, deren Dauer Experten auf mindestens drei Jahre schätzen, gar nicht mehr das größte der Welt sein wird. Zuletzt haben fast alle ökonomisch hoch entwickelten, an liberalen Werten orientierten Demokratien die Aufnahme von Verhandlungen besprochen. Vor gut einem Monat kündigten die USA an, Gespräche mit der Europäischen Union aufzunehmen. So ein Freihandelsvertrag würde sich, sofern es keine großen Ausnahmen gibt, über rund 45 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft ausbreiten. Damit könnten zwei Prozent zusätzliches Wachstum und zwei Millionen Jobs auf beiden Seiten des Atlantiks entstehen.

Japan verhandelt auch mit den USA

Und nach langen innenpolitischen Diskussionen verkündete vorletzte Woche auch Japan, mit den USA Freihandel betreiben zu wollen. Gespräche mit dem von den USA angeführten Trans-Pacific-Partnership (TPP), an dem derzeit zehn weitere Pazifik-Anrainer verhandeln, könnten noch in diesem Jahr beginnen. Japan will dabei seine Landwirtschaft vor Verhandlungen schützen, während die USA die Automobilindustrie ausnehmen wollen. Dennoch verspricht sich Japan vom TPP ein zusätzliches jährliches Wirtschaftswachstum von mindestens 0,7 Prozent.

Gerade im Fall von Japan ist das derzeitige Interesse am Freihandel bemerkenswert. Seinen Wohlstand schuldet das Land zum großen Teil merkantilistischer Handelspolitik in den Nachkriegsjahrzehnten. Bis heute wird das Land kritisiert, seinen Markt durch diverse Handelshemmnisse abzuschotten. Allerdings besteht auch großer Druck. Japans Anteil am Welthandel hat sich seit den Neunzigerjahren auf fünf Prozent halbiert, während jener von Südkorea und China, teilweise Konkurrenten auf dem Weltmarkt, stark zugenommen hat. Zudem schickten zuletzt sowohl die USA als auch die EU Handelsvertreter nach Südostasien, um sich dort Absatzmärkte zu sichern.

So drängt nun auch Japan auf Marktzugang nicht nur in Südostasien, sondern auch in Europa und in den USA. Dort erhofft man sich dann nicht nur aufgrund der hohen Kaufkraft, sondern auch wegen der ähnlichen politischen Strukturen gute Partner. „Wenn wir uns mit den Amerikanern und der EU zusammentun, hätten wir de facto ein großes Abkommen gleichgesinnter Gesellschaften“, sagt ein Vertreter von Nippon Keidanren, Japans mächtigster Wirtschaftslobby. „Damit könnten wir weltweit für liberale Werte werben und durch Freihandel uns gegenseitig und damit die Weltwirtschaft stärken.“

Dabei dürfte das Interesse nicht auf liberale Werte reduziert sein. Die drei Handelsabkommen, über die nun vor allem zwischen den USA, der EU und Japan verhandelt wird, sind auch Machtpolitik. Sie sollen „Chinas Einfluss und dem Modell des Staatskapitalismus entgegenwirken“, sagte etwa Devin Stewart vom US-Thinktank Carnegie Council kürzlich gegenüber der Zeitschrift „The Diplomat“. Der Politologe Keisuke Iida, der an der Universität Tokio über internationalen Handel forscht, beobachtet eine ähnliche Tendenz. „Japan versucht, sich mit seinen wohlhabenden Freunden zusammenzutun.“ Der Respekt vor Chinas Aufstieg spiele dabei eine wichtige Rolle.

Zwar steht auch ein trilaterales Abkommen zwischen China, Südkorea und Japan schon länger im Raum. Durch die Territorialkonflikte zwischen diesen Ländern ist es aber in den Hintergrund gerückt und wäre höchstwahrscheinlich auch nur mit starken Kompromissen durchsetzbar. China und weitere aufstrebende Ökonomien arbeiten zudem selbst an eigenen Freihandelsblöcken.

„Gemeinsame Werte“ in Europa und Japan

Die Gespräche zwischen den USA, der EU und Japan basieren dagegen trotz der Konkurrenzsituation auf dem Weltmarkt auf Ähnlichkeiten. Japan und die EU seien etwa „globale Partner mit gemeinsamen Werten“, hieß es im Positionspapier dieser Woche beinahe romantisch. Immerhin wurde darin auch erwähnt, worum es ihnen wohl vor allem geht: darum, die Beziehungen „auf ein höheres und stärker strategisches Niveau“ zu bringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2013)

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