Graz überlegt Konsumraum für Drogensüchtige

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Symbolfoto(c) APA (Helmut Fohringer)
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Stadt, Land und Bund verhandeln in Endlosschleife. Ruf nach Gerichtsentscheid. SPÖ, Grüne und KPÖ sprechen sich für die Einrichtung einer „Drogentherapeutischen Anlaufstelle“ aus.

GRAZ. „Ziemliches Karussellspiel“, „fast kafkaesk“ – derartige Formulierungen fallen dem Grazer Drogenkoordinator Ulf Zeder ein, wenn es um einen Drogenkonsumraum in Graz geht. Als Pilotprojekt konzipiert, irrlichtert das Thema seit Jahren durch die Politik. Der Ball wird zwischen Graz, der Steiermark und dem Bund hin und her gespielt.

Die jüngsten Forderungen des Gesundheitsministeriums sind teilweise erfüllt. So wurde eine wissenschaftliche Begleitung des auf zwei Jahre angesetzten Pilotversuchs in das Konzept eingearbeitet. Gibt es zudem eine Bedarfs- und Nutzenanalyse und vor Ort einen Konsens von Parteien und Exekutive, dann „wäre eine derartige Einrichtung sinnvoll“, heißt es aus dem Büro von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ). Vom Drogenkoordinator der Republik, Franz Pietsch, sei aber „ganz wenig Kooperationsbereitschaft zu spüren“, klagt die Grüne-Landtagsabgeordnete Edith Zitz.

Im steirischen Landtag hat sich im vergangenen Herbst eine Mehrheit von SPÖ, Grünen und KPÖ für die Einrichtung einer „Drogentherapeutischen Anlaufstelle“ ausgesprochen. Die ÖVP war dagegen. „Die Polizei müsste laut Gesetz eingreifen, wenn in so einem Raum Drogen konsumiert würden“, argumentierte VP-Sicherheitssprecher Eduard Hamedl. Für Zitz wiederum handelt es sich ohnehin um „gesundheitsbezogene Maßnahmen“ und keinen öffentlichen Drogenmissbrauch.

Diesen strafrechtlichen Grauraum müsse man aufhellen, verlangt Zitz: „Damit am Ende nicht der kleine Polizist in die Ziehung kommt, weil er nicht einschreitet.“ Sie rät zu einem „nüchternen Umgang mit der Drogenproblematik“ und spricht von einer „Überlebensmaßnahme“ – „weil sich die Süchtigen nicht auf irgendeinem dreckigen WC einen Schuss setzen müssen“.

Im Grazer Rathaus drängen Zitzs Parteikollegen auf eine Umsetzung. Beim Koalitionspartner ÖVP ist man jedoch nach wie vor skeptisch. Zwar hat Bürgermeister Siegfried Nagl schon einmal mit einer vorsichtigen Zustimmung überrascht. Aktuell verweist man in seinem Büro auf weiterhin ungeklärte Aspekte. Vor allem solange klare Pläne für Therapiebetten fehlen und es keine Spielregeln für den Umgang mit Ersatzdrogen wie Substitol gibt, steht man auf der Bremse. Überdies konzentriere sich der Konsum in Graz auf den privaten und nicht den öffentlichen Raum. „Wir haben nicht so einen Druck, deshalb wäre der Karlsplatz besser geeignet“, sagt Bürgermeister-Sprecher Thomas Rajakovics.

„Es ist nicht erst ein Problem, wenn es sichtbar ist“, kontert SPÖ-Landtagsabgeordneter Hannes Schwarz. Er fordert – seine eigenen Parteifreunde eingeschlossen – mehr Nachdruck. Vor dem Hintergrund des aktuellen Juristenstreits, ob rechtlich möglich oder doch nicht erlaubt, müsse man, „wenn es hart auf hart geht, die Sache eben durchjudizieren“. [signtime - Fotolia.com]

Auf einen Blick

In Graz wird über einen „Drogenkonsumraum“ diskutiert. 75 derartige Einrichtungen gibt es in Europa, unter anderem in der Schweiz, Deutschland und Spanien. Für Österreich wäre es ein Pilotversuch. Bund, Land und Stadt streiten aber über Kriterien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2009)

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