Machen die Aborigines ihrem Namen Ehre?

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Die Ureinwohner Australiens sind wirklich die Erben der Erstbesiedler, darauf deuten ihre unvermischten Gene. Allerdings waren diese Erstbesiedler nicht so naturnah, wie es der Mythos will.

Als unsere Ahnen vor etwa 65.000 Jahren von Afrika aus die Erde erwanderten, hinterließen sie ihre ersten Spuren am anderen Ende der Welt, in Australien, vor etwa 50.000 Jahren waren sie dort (in Europa erst vor 35.000). Das zeigen ihre eigenen, plötzlich auftauchenden Fossilien, in die gleiche Richtung deuten die verschwindenden Fossilien anderer, die der Megafaune, das sind alle Tiere mit mehr als 45 Kilogramm. Damit war Australien gesegnet, es gab 500-Kilo-Kängurus und Schildkröten groß wie VW-Käfer.

Und dann gab es die meisten von ihnen nicht mehr, 85 Prozent der Megafauna verschwanden, um die Zeit, in der Homo sapiens gekommen war. Fielen sie ihm zum Opfer, erjagte er sie oder veränderte er die Landschaft so, dass sie für die anderen Großen zu unwirtlich wurde? Darüber herrscht ein so alter wie bitterer Streit, der zudem unterfüttert ist mit dem Bild der besonderen Naturnähe der Aborigines. Die sprach man auch den nordamerikanischen Indianern zu, aber dort liegt der Fall klarer: Auch dort verschwand beim Eintreffen der Menschen die Megafauna, an der Spitze die Mammuts, und an deren Knochen findet man schon auch Kratzspuren von Messern.

Die Knochen haben sich des Klimas wegen erhalten und deshalb, weil sich das Drama vor 12.000 Jahren abspielte. Von dem, was vor 50.000 Jahren in Australien geschah, gibt es kaum Spuren. Nun hat Gifford Miller (University of Colorado) eine gefunden, die eines auch verschwundenen flugunfähigen Vogels, der über zwei Meter hoch war, Genyornis newtoni. Von ihm gibt es in ganz Australien, meist in Sanddünen, noch Eierschalen. Und manche sind halb verbrannt, angesengt.

Megafauna wurde ausgerottet

Von Buschfeuern können diese Muster nicht stammen, sondern nur von Feuern, auf denen gekocht wurde: „Wir halten dies für den ersten und einzigen sicheren Beleg, dass Menschen die australische Megafauna gejagt haben“, schließt Miller (Nature Communications 29. 1.). Ganz so naturnah waren die Aborigines offenbar doch nicht, aber aus einem anderen Labor kommt Balsam für ihr Selbstbewusstsein, aus dem des Genetikers John Mitchell (La Trobe University, Melbourne). Er hat den bisher letzten Versuch unternommen zu klären, ob die Aborigines ihrem Namen Ehre machen (von „ab origine“, vom Ursprung) und wirklich noch und nur von ihren Ursprüngen stammen, von den ersten Einwanderern. Auch das wird seit Langem debattiert, Auslöser war ein Hund, der Dingo. Der tauchte vor 4230 Jahren in Australien auf, zugleich kamen Innovationen in den Sprachen und bei Steinwerkzeugen. Dingos kannte man schon, in Indien waren die ersten vor 34.000 Jahren unterwegs.

Hat es also vor den 4230 Jahren eine Einwanderung aus Indien gegeben, haben diese Menschen sich mit den Aborigines vermischt? Bisherige Genanalysen kommen zu widersprüchlichen Befunden.
Mitchell hat nun das Y-Chromosom von 13 Aborigines durchgesehen. „Unser Sample ist klein“, konzediert er, dennoch ist er sicher, dass es aussagekräftig genug ist: Er hat keinerlei Hinweise auf indische Gene gefunden (Current Biology 25. 2.). Leslie Williams, ein Aborigines, der den Kontakt zwischen den Seinen und den Wissenschaftlern hergestellt hat, nimmt es zufrieden zur Kenntnis, er ist zugleich ein Elder, lehrt die Tradition: „Als Elder und Konsulent dieses Forschungsprojekts bin ich erfreut, wenn auch nicht überrascht, dass die Wissenschaft bestätigt, was uns unsere Ahnen über Generationen gelehrt haben: Dass wir hier gelebt haben seit der Traumzeit.“ So weit geht Mitchell nicht, irgendwo müssen die Dingos und Innovationen hergekommen sein. Bei den Dingos deutet manches auf Neuguinea.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2016)

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